Geschichte der Wolgadeutschen
UNSERE WIRTSCHAFT
Illustrierte Halbmonatsschrift
1923 № 3

Русский

Die Beteiligung unseres Gebiets an der Allrussischen landw.
Ausstellung
in
Moskau 1923.
(Участие нашей Области на Всеросс. сел.-хоз. выставке.)
Von E. Meyer.

Die landwirtschaftlichen Ausstellungen, wie überhaupt, alle Ausstellungen wenden sich in erster Linie an das Auge des Publikums. Je glanzvoller sie gestaltet werden, je mehr sie den Gesetzen der Kunst und Schönheit Rechnung tragen, desto eindrucksvoller wirken sie. Vor allem aber soll eine landwirtschaftliche Ausstellung den Bauern dienen und erst in zweiter Linie auf das allgemeine Publikum belehrend und unterhaltend wirken.

Von diesen Gesichtspunkten ausgehend, ist das Projekt, welches der Vertreter der Wolgadeutschen, Gen. Hartwig, in Moskau in seinem Berichte über die Beteiligung der deutschen Wolgakolonien an der von 15. August bis 15. Oktober stattfindenden Allrussischen landwirtschaftlichen Ausstellung in Moskau vorgeschlagen hat, sehr beachtenswert.

Auf dieser Ausstellung soll der mittlere deutsche Bauernhof mit seinen Tieren, Erzeugnissen und Geräten vorgeführt werden. Neben diesen soll weiter ein Raum geschaffen werden, wo die graphischen Tafeln, Karten, Abbildungen und Modelle, überhaupt die wissenschaftlichen Darstellungen, welche die Kultur des Gebiets einschließlich des Verbands-, Genossenschafts- und Versicherungswesens und das Versuchswesen und die Lehrmitteln umfassen, Aufstellung finden. Es wäre erwünscht, wenn auch dieser Teil mit dem Bauernhöfe in engster Beziehung stünde. Dieses Gebäude, welches sich unbedingt den schlichten ernsten Bau des Bauernhofes anpassen müßte (in Form eines Gemeindespeichers oder deutschen Windmühle), sollte an geeigneter Stelle und in der Nähe desselben errichtet werden. Auf diese Art bliebe das Gesamtbild erhalten und wird die Gewähr gegeben, daß die Bestrebungen, die der deutsche Bauer an der Wolga anstrebt: am Wiederaufbau der Landwirtschaft mitzuhelfen, von richtig ausgestellten Grundsätzen begleitet sind.

Das Hauptkomitee der Ausstellung in Moskau hat 18 Abteilungen vorgesehen und ein näheres Programm darüber herausgegeben. Nach diesem Programm können die verschiedensten Exponate hergestellt werden. Besonders aber sind diejenigen Erzeugnisse der Natur und Wirtschaft hervorzuheben, die unserem Gebiete eigen sind. Darunter befinden sich auf dem Gebiete:

1. Hauswirtschaft.

Latwerge in 3 Sorten (Rüben, Zuckerrohr [Kolbenhirse] und Arbusen) in kleinen Fässern, sowie auch in Glasgefäßen, zum Kleinverkauf.

Süßholz (fürs Ausland) gereinigt und roh, in Ballen verpackt. Nach Vorschrift, wie in meinem Buche „Die Bäume und Sträucher unserer deutschen Wolgakolonien“ angegeben ist.

Stepptee.

Seifenwurzeln (weiße und rote).

Arzneipflanzen, ungefähr 75 Arten, mit Anweisung (gesammelt und getrocknet).

Getrocknete Früchte (Sonnentrocknung) in Zehnpfundkisten.

Kaffeesurrogate aus Obst u. Gemüse (in Kol. Stephan).

Milcherzeugnisse (Koch- und Stinkkäse, holländischer Käse [Mennoniten] u. Butter).

Bauernseife.

Zigarren.

Besen (aus Kolbenhirse).

In der Bauernstube sollen Kräppeln, Rübenkaffee, Milch, Stepptee mit Latwerge zum Verkauf dem Publikum angeboten werden. Außerdem deutschn Wurst: weiße und Knackwurst, Schwartemagen, Latwergekuchen usw.

2. Landwirtschaftliche Maschinen und Geräte.

Leiterwagen (2 Typen: Wiesen- und Bergseite, Mennonitenwagen auf Federn).

Ausreitesteine aus Zement (Kolonie Stephan) und aus Stein (Kol. Dobrinka).

Putzmaschinen (Kol. Dönhoff).

Hirseschäler.

Schöpfrad (Tschigir) in Form eines Modelles.

Pflüge aus der Fabrik früh. Schäfer.

Webstuhl.

Spinnräder.

3. Heimarbeit.

Webereierzeugnisse aus Wolle, alte Lumpen (Teppiche), Hanf usw.

Weidenkörbe (Reisekörbe: Achmat, Wäsche- und Fischkörbe: Tscherbakowka).

Pfeifen aus Kol. Paulskoje, Grimm und Franzosen.

Holznägel für Schuhe (Hoffmann in Müller).

Lehmgeschirr (Kukkus).

Dachziegeln (Mennoniten).

Strohhüte (Kanaer usw.).

Strohfabrikate (Körbe).

Musikinstrumente (Kol. Boaro).

Kämme (Kol. Pfeifer).

Gerberei (darunter Fuchs- und Hasenfelle und ihre Bearbeitung: Kol. Anton, Balzer).

Schuhe, Pferdegeschirr: Balzer usw.

Wie schon bereits oben hervorgehoben worden ist, soll der dekorativen Seite die größte Beachtung geschenkt werden. Zu diesem Zwecke muß bereits schon im Frühjahre, der am Bauernhöfe sich anschließende Garten mit den nötigen Pflanzen bestellt werden und den Charakter eines echten, typischen Bauerngartens tragen. In diesem Garten sollen Rüben, Kohlrabi, Erbsen, Gelberüben und einige Obstgehölze (Äpfel, Kirschen, Johannisbeeren usw.) sich befinden. Ein Bienenstock sollte auch nicht fehlen, welcher in Moskau zu erhalten ist. Weiter wäre auch eine kleine Tabaksplantage zu errichten. Das nötige Pflanzenmaterial für dieselbe könnte man aus deutschem Samen hier in Moskau heranziehen. Vor dem Wohnhause ist ein Vorgarten anzulegen, wie man ihn vor den Häusern unserer Bauern oft findet. Dieser Teil muß sich im August auch in seinem vollen Glanze zeigen. Dieses ist aber nur dann möglich, wenn im Frühjahr bereits die nötigen Vorarbeiten getroffen werden.

Sollte das frische Obst sich nicht haltbar bis zur Ausstellung erweisen und einen längeren Transport nicht vertragen, so kann man nach Mustern dasselbe in der Werkstatt für Modellieren von Früchten im Volkskommissariat für Landwirtschaft anfertigen lassen.

In der wissenschaftlichen Abteilung sind neben Literatur, Herbarien, Schädlinge (Goldafter, Mairaupe, Ringelspinner, Obstmade, Wiesenzünsler, Zieselmäuse usw.) auch Bodenprofile (1 ½ Arschin lang und 5 Werschok breit in Kisten mit Glas bedeckt) aufzustellen. Weiter Versteinerungen (Abdrücke) sollen zur Schau gebracht werden, wie man sie z. B. auf alten Exsteinen (alte Ausreitesteine von der Bergseite) auf den Straßen in Warenburg und anderen Orten findet, sowie andere geologische Objekte, die ein Bild über die Entstehung unseres Bodens geben können.

Die landwirtschaftliche Versuchsstation in Krasny-Kut muß auch in hervorragender Weise sich an der Ausstellung beteiligen und ihre Tätigkeit in der ausgiebigsten Weise dem Publikum vor Augen führen. Auch das Museum in Marxstadt könnte viele Objekte bringen, die sich auf das Gebiet beziehen, z. B. das seltene Werk von Pallas u. a.

Um auch der Kunst gerecht zu werden, würde ein Diorama, welches unsere Steppenlandschaft darstellt, das gesamte Bild in doppelter Weise verschönern. Außer Steppenlandschaft würden sich auch eine Mennonitenansiedlung oder Anton, deutsch Danilowka, die Bergseite und Wiesenseite und in der Mitte die Wolga, Ansichten von Frank und Hussenbach als Motive eignen.

Man könnte noch mehrere Andeutungen geben, aber im Gebiete gibt es Männer und Frauen genug, die sich dieser Sache mit Lust und Liebe annehmen werden. Sind wir daher in der Lage unsere Ideen in Wirklichkeit zu übertragen, so wird der Erfolg nicht ausbleiben und wir werden unsere Stelle in unserem großen Staate als Vorbild deutscher Kultur aus der Allrussischen Ausstellung in Moskau behaupten.


Unsere Wirtschaft, 1923, № 3, S. 88-90.