Schmid, Beatrice: „Du weißt mich jetzt in Raum und Zeit zu finden“. Zwei Frauen zwischen Basel und Moskau. – Zürich: Rotpunktverlag, 2020. – 375 S., Illustrationen.
ISBN 978-3-85869-868-1
Europa zu Beginn des turbulenten 20. Jahrhunderts. Paula emigriert in den Anfängen der Sowjetunion nach Moskau, blut-jung und frisch verheiratet. Sie will am Aufbau einer gerechteren Gesellschaft mitwirken. Gulag und eine späte Rehabilitation folgen. Marie, seit dem elften Lebensjahr Waise, wird in Basel zur Hilfsarbeiterin und sozialisiert sich politisch. Sie pflegt intensive Briefwechsel, unter anderem mit einer deutschen Widerstandskämpferin. Spät erst heiratet sie Paulas Bruder.
Nach Jahrzehnten entdeckt Beatrice Schmid die Briefe, Artikel und Dokumente ihrer Großmutter Marie und ihrer Großtante Paula und beginnt mit der Recherche. Die zwei Leben erzählen Welt- und Ideologiegeschichte anders. Woher wissen diese Frauen so unbeirrt um ihre Rechte? Woher nehmen sie ihre Kraft, ihren emanzipativen Mut, ihre Zuversicht, der Not, Enttäuschung, Gewalt nichts anhaben können? Eine wahrhaft ergreifende Familiengeschichte.
Autorin
Beatrice Schmid, 1973 in Basel geboren, hat Literaturwissenschaft und Geschichte in Basel und Lausanne studiert, wo sie auch eine Assistenzstelle für neuere deutsche Literatur innehatte. Sie war Regieassistentin am Theater Basel und in Bern und arbeitet heute als Gymnasiallehrerin für Deutsch und Geschichte in Lausanne. Seit über zwanzig Jahren ist sie in Menschenrechtsund Klimagruppen aktiv. Sie ist Coautorin des beim Rotpunktverlag 2005 erschienenen Buchs Nestlé. Anatomie eines Weltkonzerns, hg. von Attac Schweiz.
Ende 2015 sichtete sie den Nachlass ihrer Großmutter Marie und ihrer Großtante Paula. Sie recherchierte neben ihrem Beruf mehrere Jahre für dieses Buch.
Prolog
Der Koffer wäre perfekt für meine Reise.
An Weihnachten 2015 habe ich Briefe, Fotos und Dokumente meiner Großmutter Marie und meiner Großtante Paula auf dem Dachboden meiner Eltern in Basel gefunden und sie in diesem Koffer mit nach Lausanne genommen. Über vier Jahre lang bin ich ihren Spuren durchs 20. Jahrhundert gefolgt, in Maries und Paulas Leben eingetaucht und mir neu begegnet.
Niedergeschrieben auf den folgenden Seiten, ist unsere gemeinsame Reise nun zu Ende. Ich weiß, dass ich diese beiden Frauen in mir trage. Sie haben mich geformt, genauso wie ich sie kreiert habe, ihre Geschichte gesponnen anhand dessen, was von ihnen noch sichtbar, hörbar, tastbar und riechbar ist. Wir sind durch diesen roten Faden verbunden.
Ich leere den Koffer. Die Dokumente kommen zurück auf den Dachboden.
April 2020