Im alten Garten.
Von P. Sinner.
1. Im fernen Tale,
Von Wald umsäumt,
Liegt still der Garten
Und lauscht verträumt
2. Den Zauberstimmen
Der Dämmerzeit,
Dem Grillenzirpen
Von weit und breit.
3. Ich sitze einsam
Am Gartenhaus,
Schau durchs Gelände
Ins Feld hinaus.
4. Ein Rosenschimmer
Aus goldner Zeit
Der fernen Kindheit
Flimmt um mich heut. . .
5. Vor mir ein Reichtum,
Der Mühe Preis,
An reifen Äpfeln,
Gelb, grün und weist,
6. Mit zarten Backen,
So rot wie Blut,
Wie Mädchenwangen
Voll Jugendglut...
7. Der Abenddämmer
Bricht nun herein,
Sinkt immer tiefer,
Trotz Mondenschein.
8. Und wie verzaubert
Sitz ich nun da;
Die ferne Kindheit
Ist plötzlich nah.
9. Ich seh als Büblein
Mich hier am Ort;
Unheimlich gruselt’s
Mir immerfort.
10. Und vor mir sitzt nun
Im Mondenschein
Das Märchenreiche
Großmütterlein.
11. Im Flüstertöne
Erzählt sie mir
Vom schwarzen Pudel:
Der gehe hier...
12. Vom wilden Jäger,
Der hier im Tal
Die Luft durchsause
Mit Peitschenknall...
13. „Mit Kettenrasseln
„Und wüstem Schrei
„Des ganzen Trosses
„Saust er vorbei...
14. „Das G’nick ist allen
„Nach vorn gekehrt;
„So rast er, bis er
„Zum Abgrund fährt“...
15. Ich höre gleichsam
Den Märchengraus
Der wilden Schützen
Gepfei, Gesaus...
16. So sitz’ und träum’ ich
Aus ferner Zeit,
Die längst entschwunden —
So weit, so weit. —
17. Der alte Glaube
An Geistermacht
Ruht auf dem Kirchhof
In Grabesnacht.
18. Ich selber bin nun
Ein alter Mann,
Der bald den Enkeln
Erzählen kann
19. Vom wilden Jäger
Und andern, Graus,
Der einst im Lande
Hier war zu Haus;
20. Der längst verschollen,
Nicht mehr zu sehn,
Wie all’ mir kommen
Und wieder gehn. —
[1927]
Wolgadeutsches Schulblatt, 1928, Nr. 6, S. 645