Wolgadeutsche Geschichtstafel
Versuch einer übersichtlichen chronologischen Darstellung der Geschichte der deutschen Kolonien im vormaligen „Königreich Astrachan“, in den nachmaligen Gouvernements Saratow und Samara, in dem heutigen autonomen Gebiet der Wolgadeutschen. Nach verschiedenen Quellen zusammengestellt von G. S. L.[1]
1592 |
Gründung Saratows zum Kampf gegen die Einfälle nomadisierender Stämme in die Gebiete auf dem rechten Wolgaufer. |
1671 |
Einnahme Saratows durch den Räuberhauptmann Stenka Rasin. |
4.12.1762 |
Erstes Manifest Katharinas II. bezüglich der Besiedlung freier russischer Ländereien durch Ausländer. |
26.1.1763 |
Verfügung Katharinas II. über die Einrichtungen von Regierungsstelle zur Aufnahme der Einwanderer. |
22.7.1763 |
Zweites Manifest Katharinas II. über die Einwanderung, das als „Eckstein der russischen inneren Kolonisation“ bezeichnet wird und hauptsächlich zur Gründung der deutschen Wolgakolonien durch Einwanderer aus Deutschland, Holland, der Schweiz und aus Frankreich geführt hat. |
? .1763 |
Gründung der „Kanzlei der Vormundschaft für die Ausländer“ in Petersburg, der in der Saratower deutschen Beamtensprache „Tutel-Kanzlei“ genannten Kommission zur Leitung der inneren Kolonisation Rußlands. Leiter dieser Kanzlei, die die Rechte eines Ministeriums besaß, war „der schönste Mann im Norden“ Orlow, ein Günstling Katharinas. |
1763–70 |
Einteilung des Siedlungsgebietes der ausländischen Kolonisten in 10 Verwaltungskreise. |
11.2.1764 |
Siedlungs und Freiheitsukas für die Herrnhuter, die Begründer Sareptas. |
27.2.1764 |
Allgemeines Auswanderungsverbot der pfälzischen Regierung. |
19.03.1764 |
Herausgabe des „Kolonistengesetzes“, nach dem u. a. jedem Kolonisten 30 Deßjatinen „eigentümlichen Landes“ (lies: als Eigentum) zugesprochen wurden. Das Land war jedoch nicht Privat, sondern Gemeindebesitz. |
29.6.1764 |
Gründung von Nischnjaja (Unteres) Dobrinka, der ältesten deutschen Wolgakolonie. |
1765 |
Gründung der Herrnhuter Kolonie Sarepta bei Zarizyn. Feuersbrunst in Husaren, durch die von den 1765 gebauten 17 Häusern 8 zerstört wurden. |
21.1.1765 |
Erlas der freien Reichsstadt Frankfurt (a. M.) gegen das „Emigrieren“ nach Rußland. |
27.3.1766 |
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28.4.1766 |
Errichtung in Saratow eines „Kontors der Vormundschaftskanzlei für die Ausländer“, das bis Mitte des 19. Jahrhunderts auch die oberste Gerichtsbehörde der Kolonien war. |
1.5.1766 |
Auswanderungsverbot Friedrichs des Großen. |
Mai 1766 |
Die Tutelkanzlei untersagt die weitere Anwerbung von Ausländern zu Siedlungszwecken mit der Begründung der Hauptsammelplatz Lübeck sei überfüllt. |
? .1766 |
Verbot der Auswanderung aus dem oberrheinischen und kurrheinischen Kreis. |
[27.3.1767] |
Schenkungsurkunde Katharinas II. an die Sareptaner. |
Mai 1767 |
Befehl des Saratower Kontors wegen der Maßnahmen zur Verhütung von Bränden. U. a. wurde verordnet, daß stets der vierte Teil der Männer im Dorf sein müsse (auch zur Erntezeit) und daß „Nachtwächter der Reihe nach errichtet“ werden. |
Juli 1767 |
Verbot des Saratower Kontors an die Kolonisten, von den Kalmücken „auf der Straße“ Vieh zu kaufen. Der Kauf durfte nur in Saratow oder Mitrowka (? wohl Kamyschin) erfolgen. |
Sept. 1767 |
Verbot des Kontors von Gewerbe und Handel in den Kolonien „im Interesse des Ackerbaus“. |
? .1767 |
Seelenzahl der Kolonisten 29 000. |
? .1767 |
Auf die Ankündigung des französischen Ansiedlungsdirektors de Boffe, daß er 1768 den Zehnten von Getreide und Geflügel einfordern werde, bitten die Kolonisten am 23.12. die Regierung schriftlich um die Befreiung von den Direktoren „indem wir gar nicht einsehen können, was abgemalte Direktion vorstellen soll“. |
1767/68 |
Erstes offizielles Schuljahr. Eröffnung von Volksschulen. |
26.2.1768 |
Befehl des Saratower Kontors, den deutschen Kolonien russische Namen beizulegen. |
Juni 1768 |
Gewaltmäßige Rücknahme der Vorschüsse „von ausgestorbenen oder untüchtigen Familien“ durch Vermögenskonfiskation. |
6.9.1768 |
Verbot des Vermögensverkaufs, der besonders bei den Ansiedlern französischer Abstammung beobachtet wurde, die sich aus dem Staube machen wollten (es später ja auch getan haben). |
? .1768 |
Einstellung der Herausgabe von Baugeldern an die Kolonisten, da die Regierung die Errichtung von Siedlungsbauten selbst in die Hand zu nehmen gedachte. |
? .1768 |
Edikt Josephs II. gegen die Auswanderung nach Rußland. |
1769-75 |
Mißernten und große Not. „Es war so dürre, daß für das wenige Vieh nicht einmal Heu konnte gemacht werden.“ Unterstützung der Kolonisten durch die Regierung „auf Abzahlung“. Die Kolonisten geraten in tiefe Schulden. |
April 1769 |
Bestätigung des ersten „Gesetzbuches“ für die Kolonien („Instruktion“) durch die Tutelkanzlei, gegen dessen Annahme als Dorfrecht „verschiedene Kolonien“ sich sträubten. Seelenzahl der Kolonisten 23 109. |
1770 |
Eingabe der Wolgakolonisten an die Regierung um die Eröffnung einer „besseren“ Schule. |
16.4.1771 |
Verbot des Saratower Kontors gegen das Salzfahren der Kolonisten (vom Elton-See nach Saratow), damit „die Landwirtschaft nicht vernachlässiget“ werde. |
Aug. 1771 |
Erster Kirgisenüberfall auf die Kolonien. Betroffen wurden 17 Kolonien, als erste Louis und Chasselois (letztere nicht wieder aufgebaut). |
„ .1772 |
Gründung der ersten sogenannten Tochterkolonie Pobotschnaja bei Saratow. [Pobotschnaja wurde am 4.7.1773 gegründet und war die Mutterkolonie.] |
„ .1772 |
Einführung des Tabakbaues durch Holländer in Katharinenstadt. |
„ .1772 |
Gründung des ersten Handelshauses in den Kolonien (Handelsgesellschaft Abraham und Lorenz in Sarepta). |
1773 |
Der deutsche Naturforscher Pallas besucht die Kolonien und schildert ihren „trostlosen Zustand“. |
6.7.1774 |
Einnahme Saratows durch den Aufwiegler Pugatschow. Greuel und Verwüstungen in den Kolonien, besonders in Norka und Umgebung. Kirgisenüberfall in Mariental. |
10.1.1775 |
Hinrichtung des Aufwieglers Pugatschow in Moskau. |
21.10.1775 |
Veröffentlichung einer „gnädigsten Ukase“, „daß die Kolonisten, so ihren Unterhalten nicht haben, solches mit Schanzarbeit in Saratow und 3 Kolonien verdienen können, nämlich für einen Kubik-Faden sollen ihnen 2 Rubel gegeben werden“. |
1775 |
Verstärkung des Militärs in Solotoje, um einer etwaigen „Revolution“ der Kolonisten vorzubeugen. Eine solche Revolution hatte der Gouverneur von Astrachan Kretschetnikow befürchtet, da ihm die Kolonisten „liederliches Gesindel“ zu sein schienen. |
1775 |
„Erste gesegnete Ernte“, wodurch die Kolonisten auch zu „eigenem Samen“ kamen. Bisher hatten sie ihn von der Regierung erhalten und zwar regelmäßig zu spät. Einstellung der Herausgabe von Verpflegungsgeldern und Vorschüssen. |
13.3.1775 |
Dritter, mißlungener Kirgisenüberfall. |
1775 |
Seelenzahl der Kolonisten 29 000. [Eher 23 000.] |
1776 |
Einführung der Maulbeerbaumzucht, die jedoch in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts wieder in Verfall geriet. |
1776 |
Herausgabe einer neuen Verwaltungsordnung für die Kolonien durch Katharina II. |
1776 |
Seelenzahl der Kolonisten 23 184. |
1777 |
Die Regierung bestimmt 2000 Rubel zum Loskauf von Kolonisten, die von Kirgisen entführt wurden. |
1780 |
Umbenennung von Dmitriewsk in Kamyschin. |
1780 |
Kolonisten pachten infolge Landmangels zum ersten Mal Kronsländereien, da die Zuteilung der „eigentümlichen“ Ländereien noch immer hingezogen wird. |
20.4.1782 |
Streichung von 1 025 402 Rubel 97 ½ Kopeken aus der Summe von 5 199 813 Rubel 23 Kopeken, die die Regierung für die Berufung der Kolonisten verausgabt hatte und die ihnen als Schuld angerechnet worden war. |
30.4.1782 |
Schließung der Vormundschaftskanzlei für Ausländer in Petersburg im Zusammenhang mit der Einteilung Rußlands in Gouvernements. |
1782 |
Unterstellung der Kolonien der sogenannten staatlichen Ökonomie-Direktion. |
1782 |
Katharina II. erläßt die auf den von Kirgisen entführten Kolonisten ruhenden Schulden (20 382 Rubel 23 ¾ Kopeken). |
1783 |
Angliederung der katholischen Kirchenspiele an der Wolga an die Erzdiözese Mogilew. |
1784 |
Die Regierung bewilligt nochmals 2000 Rubel zum Loskauf in kirgisischer Gefangenschaft schmachtender Kolonisten. |
1788 |
Seelenzahl der Kolonisten 30 962. |
1793 |
Zweiter Besuch des deutschen Naturforschers Pallas in den Kolonien. „Diese haben seit 20 Jahren an Wohlstand sowie an Volksmenge zugenommen und sind gleichsam erneuert und neugeschaffen.“ |
1793 |
Seelenzahl der Kolonisten 30 000. |
1793 |
Einschränkung des ursprünglichen Landanteils von Formierten, Lutheraner und Katholiken. |
1793 |
Einschränkung des ursprünglichen Landesteils von 30 auf 20 Deßjatinen pro Kopf. |
1796 |
Die Justizverwaltung Sareptas erhalt den Rang eines Stadtgerichtes. |
1797 |
Offizieller „Beginn“ der 1793 angekündigten „Generallandmesserei“, nach der einer jeden Seele 20 Deßjatinen zugemessen werden sollten. In Wirklichkeit jedoch begann die Vermessung erst 1803 und dauerte bis 1835. |
1797 |
Der Schweizer Geistliche Janet wird zum „Senior“ der Geistlichkeit in den Kolonien ernannt. |
1797 |
Schließung der „Ökonomie-Direktion“, unter der die Kolonisten „nochmals großes Elend“ erlitten halten. |
31.6.1797 |
Wiedereröffnung des Saratower Kontors der Vormundschaftskanzlei für Ausländer. |
1798 |
Seelenzahl der Kolonisten 39 193. |
1800 |
Einführung des „Mir“ in den Kolonien. |
1800/3 |
Neue „Instruktionen der inneren Verwaltung“ für die Kolonien. |
1801 |
Entsendung zweier Delegierter (namens Köhler und Grimm) nach Moskau, die gelegentlich der Krönungseier Alexander I. um die Beschleunigung der „Generallandmesserei“ bitten sollten. „Die Kolonien sind bedrängt mit schlechten Ländereien" heißt es im Memorandum an die Regierung. (Näheres siehe in Nr. 6 dieser Zeitung „Aus Natur und Geschichte“.) |
4.7.1802 |
Senator Hablitz wird von Alexander I. nach Saratow gesandt „um im dasigen Tutel-Comptoir Ordnung zu stiften“, da die Bestechlichkeit der Beamten alle Grenzen überstiegen hatte. |
1802 |
Jesuitische Pater übernehmen die kirchliche Bedienung der katholischen Gemeinden in den Kolonien. |
1808 |
Seelenzahl der Kolonisten 40 000. |
12.3.1812 |
„Gleichstellung der deutschen Ansiedler mit den russischen Kronbauern in der Bezahlung der Angaben für die im Besitz habenden Ländereien“. |
1812 |
Unterzeichnung des durch schwere Rutenstrafe erzwungenen Vertrags zwischen Dehler und Brabander wegen eines Talgrabens. Der Streit dauerte jahrzehntelang in scharfer Form an und ist auch heute noch nicht beigelegt, da der Vertrag trotz der Unterzeichnung nicht anerkannt wird. |
1813 |
Einführung der allgemeinen Kopfsteuer in den Kolonien. |
1814 |
Die Wiezenausfuhr aus den Kolonien wird mit 700 000 Rubel, die der Tabakausfuhr mit 143 000 Rubel jährlich angegeben. |
1816 |
Seelenzahl der Kolonisten 60 746. |
1819 |
Russisches Verbot der Einwanderung nach Rußland. |
1820 |
Entfernung der Jesuiten aus den Kolonien durch die Regierung. |
1820 |
Herausgabe von „Regeln zur Verbesserung der Anlage der Saratowschen Kolonien“ durch das Departement der Reichswirtschaft und öffentlichen Bauten. |
23.1.1822 |
Eröffnung eines Konsistoriums in Saratow. Gründung einer Zweiganstalt der Hauptbibelgesellschaft in Sarepta, die jedoch 1826 auf Befehl der Regierung wieder geschlossen wurde. |
1823 |
Eine Zählung ergibt, daß auf 10 890 Schulkinder 73 Lehrer (!) kommen. |
1832 |
Ein Brand zerstört zwei Drittel der Gehöfte Sareptas. |
1832 |
In Schaffhausen wird die erste Kirche aus Stein errichtet. |
1833 |
Großer Steppensturm, der ungeheure Verwüstungen zur Folge hat. |
1833 |
Aufhebung des Saratower Konsistoriums. |
1834 |
Die Steuerabgaben der Kolonien für dieses Jahr werden mit 701 175 Rubel angegeben. |
1834 |
Eröffnung der ersten beiden Zentralschulen in Grimm und Katharinenstadt. |
1835 |
Seelenzahl der Kolonisten 127 028. |
1840 |
Einschränkung des Landanteils auf 15 Deßjatinen pro Kopf. |
1840 |
Zuteilung neuen Landes an die Kolonien. |
1842 |
Das Saratower Kontor verlangt die Entrichtung von 17 735 Rubel 62 5/7 Kopeken Silber an „Schulden der von Kirgisen entführten Kolonisten“. |
3.12.1842 |
Einforderung der großen Vorschüsse an die geflüchteten Franzosen „von sämtlichen Arbeitern der Saratower Kolonien zu gleichen Teilen“. |
1842 |
Befehl des Saratower Kontors wegen Tilgung der Kronsschulden der durch Kirgisen zerstörten Kolonien. |
1845 |
Bittgesuch der Kolonisten um Befreiung von der Verpflichtung des Unterhalts der von Alexander I. den Kolonien geschenkten und lange Jahre gezüchteten Merinoböcke, da ihre Zucht nur Unkosten bringe. |
1845 |
Tilgung des letzten Restes der insgesamt mit 5 Mill. Rubel aufgerechneten Kronsschulden durch die Kolonisten. |
1847 |
Gründung der Diözese Tiraspol mit dem Sitz in Tiraspol bei Odessa [in Cherson, nur seit 1852 in Tiraspol]. |
1852 |
Errichtung eines Denkmals für Katharina II. in Katharinenstadt, das 1920 entfernt worden ist. |
1853 |
Gründung der ersten wolgadeutschen Mennonitensiedlung Köppental. |
1863 |
Einführung der Versicherungsordnung (hauptsächlich gegen Feuerschäden, die in der damaligen Zeit sehr oft vorgekommen sind). |
1866 |
Die deutsche Elementarschule in Saratow wird zur deutschen Kirchenschule erhoben. |
1866 |
Einschränkung der Tätigkeit des Saratower Kontors auf Kirchen- und Schulangelegenheit. |
1869 |
Der Landanteil der Revisionsseele wird mit 1 ½ Deßjatinen (gegen 30 im Jahre 1764!) angegeben. |
1870-80 |
Beginn Auswanderung aus den Kolonien nach Sibirien , Nord- und Südamerika. |
1871 |
Aufhebung des „Kolonistengesetzes“. Die Wolgadeutschen werden den russischen Kronsbauern gleichgestellt und erhalten den Namen „Ansiedler-Grundbesitzer“. |
1874 |
Gründung eines Kinderasyls in Katharinenstadt. |
1874 |
Aufhebung der „ewigen Befreiung“ der Kolonisten vom Militärdienst. |
1876 |
Aufhebung des Saratower Kontors. |
1885 |
Veröffentlichung des sog. „Tabakgesetzes“, das den Tabakbau der Kolonisten stark beeinträchtigte. |
1886 |
Mißernte. Große Not. |
1888 |
Die erste Deutschenhetze. Der russische Minister des Innern spricht auf einer Sitzung der Regierung von Maßregeln, die „zur vollständigen Befreiung Rußlands von ausländischen Elementen“ notwendig seien. |
1889–92 |
Mißernte und große Hungersnot, an deren Bekämpfung sich u. a. auch kirchliche Kreise Deutschlands beteiligt haben. |
1891 |
Gründung des Siechenhauses Bethanien bei Beideck. |
1898 |
Gründung der Taubstummenanstalt in Orlowskoje. |
1905 |
Revolution in Rußland. Freieres Aufatmen in den Kolonien. In der Folge Maßregelung einzelner freiheitlich gesinnter Kolonisten. |
1906 |
Stolypinsche Agrarreform. Übergehen eines Teiles der Kolonien zum Einzelbesitz. |
29.6.1914 |
150jähriges Bestehen der deutschen Wolgakolonien. Die Feier des Jubiläums wird infolge des Kriegsausbruchs untersagt. Beginn einer schmachvollen Deutschenhetze in Rußland. Erniedrigende rechtliche, politische und nationale Isolierung des Rußlanddeutschtums. |
13.2.1915 |
Sanktionierung des gegen den deutschen Landbesitz gerichteten Enteigungsgesetzes („Februargesetz“, „Liquidation“ des deutschen Besitzes in Rußland). |
8.3.1915 |
Protestrede des baltischen Dumaabgeordneten Baron Meyendorffs gegen das Februargesetz. |
13.3.1915 |
Beschluß der Samaraer Gouvernements-Verwaltung über die russische Umbenennung der deutschen Kolonien. |
Juli 1916 |
Verbot des Weitererscheinens der damals einzigen deutschen Zeitung Rußlands, der Saratower „Volkszeitung“. |
Febr. 1917 |
Nikolai II. verfügt, das Enteignungsgesetz vom Februar 1915 auch auf die deutschen Wolgakolonien auszudehnen, wodurch das Gesetz endgültig der Maske enteignet wird, es richte sich ausschließlich gegen den „gefährlichen deutschen Landbesitz in der Kriegsfrontzone“. |
Febr./März 1917 |
Ausbruch der sog. Kerenski-Revolution. Sturz des Zaren. Zugeständnis der allgemeinen russischen Staatsbürgerrechte an die Deutschen Rußlands, das „Februargesetz“ wird jedoch trotz übermenschlicher Bemühungen der deutschen Dumaabgeordneten nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben. |
25./27.4.1917 |
Allgemeiner deutscher Kolonistenkongreß in Saratow. Wahl eines Zentralkomitees. |
Okt. 1917 |
Bolschewistischer Umsturz. |
1918 |
Flucht zahlreicher Wolgadeutscher aus politischen Gründen ins Ausland, hauptsächlich nach Deutschland. |
1918 |
Begründung der Sowjetautonomie des Gebietes der Wolgadeutschen („Arbeitskommune des autonomen Gebietes der Wolgadeutschen“) mit dem Sitz in Saratow. |
1918 |
Aufstände in den Kolonien. |
Okt. 1918 |
Erster wolgadeutscher Sowjetkongreß in Seelmann. |
28.4.1919 |
Gründung des Vereins der Wolgadeutschen in Berlin, hervorgegangen aus der im Herbst 1918 gebildeten Berliner Vereinigung der deutschen Wolgakolonisten. |
1919 |
Der Sitz der Verwaltung der Kolonien wird aus Saratow nach Katharinenstadt verlegt, das in Marxstadt umbenannt wird. |
Sommer 1919 |
Einbruch Denikins ins Gebiet der Wolgadeutschen von Kamyschin her. |
1919 |
Über die Getreidevorräte falsch informiert, verlangt die Zentralregierung die Lieferung von 12 Millionen Pud Getreide. |
1920 |
Mißernte in den Kolonien. |
9.9.1920 |
Gründung des Verbandes studierender Wolgadeutscher in Berlin. |
Herbst 1920 |
Wegnahme der letzten Getreidereste der Kolonisten durch die sog. Tulaer kommunistische Strafexpedition. |
1920-21 |
Aufstand in den Kolonien unter Führung Wakulins. Die Kämpfe dauern einige Monate an und steigert die Verwüstungen im Gebiet. Schlacht bei Balzer. |
1921 |
Nie dagewesene Mißernte. Ausbruch einer verheerenden Hungersnot, die Tausende von Wolgadeutschen zur Flucht nach allen Himmelsrichtungen treibt. Zehntausende von Kolonisten verhungern. Seuchen vernichten Vieh und Menschen. Völliger Verfall der Wirtschaft. Um dem Hungertode zu entgehen, tauschen unzählige Kolonisten ihre Wirtschaftsgeräte und Kleidungsstücke gegen Nahrungsmittel ein. |
4.4.1921 |
Gründung des Hilfswerks der Wolgadeutschen in Berlin zur Hilfeerweisung an die Hungernden in den Wolgakolonien. |
1922 |
Ausländische Wohltätigkeitsorganisationen beginnen ihre Hilfsarbeit in den Hungergebieten der Wolga. Darunter auch das Deutsche Rote Kreuz. Großzügige Hilfe der Wolgadeutschen in Nord- und Südamerika. |
Herbst 1922 |
Wirtschaftlich-administrative Abrundung des Gebiets der Wolgadeutschen durch die Angliederung russischer Dörfer und Städte. (7 Kantone.) Überführung der Sowjetverwaltung des Gebiets der Wolgadeutschen aus Katharinenstadt nach Kosakenstadt. Im Sommer 1922 erfolgte die Einteilung des Gebiets in 14 Kantone anstelle der bisherigen dreiteiligen Bezirksgliederung (Katharinenstadt, Seelmann, Balzer). |
Herbst 1922 |
Die Ernte und die Auslandshilfe lindern im Verein mit der Regierungshilfe die Not. Es beginnt der Ausbau der Wirtschaftshilfe an die Kolonien. |
Der Wolgadeutsche, Berlin,
1923, Nr. 6, 1. Beilage, S. 2, Nr. 7, 1. Beilage, S. 3, Nr. 8, 1. Beilage, S. 3.
[1] Die „Wolgadeutsche Geschichtstafel“ von G. Löbsack erhält Fehler. In eckigen Klammern [ ] sind unsere Richtigstellungen angegeben. – Anm. von A. Spack.