Geschichte der Wolgadeutschen

DEUTSCHER KOLONIAL-ATLAS

VON PAUL LANGHANS


Deutscher Kolonial-Atlas. 30 Karten mit 300 Nebenkarten, entworfen, bearbeitet und herausgegeben von Paul Langhans. – Gotha: Justus Perthes, 1897.


Zur Einführung.

Die neuzeitliche Bewegung zu Gunsten der Erwerbung von staatsrechtlich dem Mutterlande verbundenen reichsdeutschen überseeischen Schutzgebieten bat den Begriff der Kolonie im Sprachgebrauch dermaßen vereinseitigt, d. h. auf den der Staatskolonie beschränkt, daß es gewagt erscheinen konnte, eine kartographische Darstellung der gesamten Siedeltätigkeit des Deutschtums mit dem Namen Kolonial-Atlas zu belegen. Wenn es dennoch geschah, so war die Erwägung marsgebend, daß es notwendig sei. immer wieder darauf hinzuweisen, daß die heutige Kolonialpolitik des Deutschen Reiches nicht als etwas unvermittelt Neues, sondern im Rahmen und im Zusammenhange mit der Jahrhunderte alten kolonisatorischen Tätigkeit der Deutschen betrachtet und verstanden sein will, als letztes Glied dieser Tätigkeit, das dem Anwachsen des deutschen Volksgefühls und der wirtschaftlichen Entwickelung entspricht. Unter diesem Gesichtspunkte des inneren Zusammenhanges aller deutschen Tochtersiedelungen will der Inhalt der nachfolgenden Blätter betrachtet sein.

Die reichsdeutschen Schutzgebiete nehmen freilich vermöge ihrer großen Flächen am meisten Raum ein: fast ausschließlich aus Handelskolonien hervorgegangene Kultivationsgebiete, schließen sie in ihre Grenzen weite Strecken wirtschaftlich nicht oder schwer nutzbaren Landes ein, im Gegensatz zu den meisten Ackerbausiedelungen, die nur das ihnen zusagende Land geschlossen besetzen. Als Maßstab ihrer Verjüngung wurde behufs bequemen Vergleichs mit Vogels Standkarte des Deutschen Reiches (1:500000) 1:2 Mill. gewählt. Der Anschauung, daß nicht die politische, sondern die wirtschaftliche Besitzergreifung das wesentliche Kennzeichen einer Kolonie sei, ist durch zahlreiche Nebenkarten größeren Maßstabes Rechnung getragen, welche die Arbeitsfelder deutscher Pflanzungstätigkeit die Brennpunkte des Handels und Verkehrs und die bisherige wirtschaftliche Entwickelung der einzelnen Schutzgebiete zur Darstellung bringen; daneben zeigen Pläne der politischen und militärischen Verwaltungssitze deren Aufblühen und Wachstum seit der deutschen Besitzergreifung. Die Einzeldarstellungen der Arbeitsgebiete christlicher Missionen nehmen den ihnen in Hinsicht auf den sittigenden und kulturfördernden Einfluß ihrer Tätigkeit gebührenden Raum ein. Durch sorgfältige Behandlung des Geländes in Verbindung mit farbiger Angabe der Bodenbedeckung wurde versucht. dem Kartenbilde Leben und Bewegung einzuflößen und den Überblick über die wirtschaftliche Nutzbarkeit der einzelnen Gebiete zu erleichtern: durch Beigabe ethnographischer Übersichten ist die Hauptkarte entlastet. Bequemen Vergleich der Größenverhältnisse gewähren Übersiehtskärtchen von Gegenden des Mutterlandes in gleichem Maßstabe.

Neben den reichsdeutschen Schutzgebieten sind am eingehendsten diejenigen Länder behandelt, welche sieh der Siedelungstätigkeit deutscher Auswanderer am meisten förderlich erwiesen haben und in welchen das Deutschtum gegenüber fremdvölkischen Einflüssen seine selbständige Eigenart mehr oder weniger bewahrt hat: die deutschen Ackerbau-Kolonien. Die zähe Eroberungs- und Ansiedelungs-Politik der Welfen, Askanier, Hohenzollern und auch Habsburger, sowie des Deutschen Ordens nach Osten hin hat die Länder zwischen Elbe und Weichsel und große Teile der ungerländischen Ebenen und Bergbezirke verdeutscht. An die Tätigkeit ersterer knüpft die Arbeit der „Ansiedelungs-Kommission“ an, jener neuzeitlichen Staatskolonisation zum Schutze des Errungenen gegen slawische Hochflut, die besonders auch jenseits der Karpaten im Verein mit dem erwachten madjarischen Staatsgedanken dem Deutschtum so vielen Abbruch getan hat. Und doch steht auch heute noch die deutsche Ackerbaukolonisation des Ostens nicht still. Deutscher Fleiß und deutsche Tüchtigkeit lassen die deutschen Ackerbausiedelungen Süd-Russlands trotz slawischer Gegenarbeit immer weiter um sich greifen; bis an die Hänge des Kaukasus und in die Steppen Innerasiens ziehen fortwährend deutsche Kolonistenscharen. Serben und Rumänen müssen im Banat und in Slawonien deutscher Betriebsamkeit weichen, und das neu erschlossene Bosnien bietet deutschen Ackerbauern lohnendes Arbeitsfeld.

Jenseits des Weltmeeres sammeln sieh die geschlossenen deutschen Kolonialgebiete um vier Mittelpunkte: die Vereinigten Staaten in Nord-Amerika mit den angrenzenden Teilen des britischen Kanada, das subtropische Süd-Amerika (im Osten die Urwaldkolonien Süd-Brasiliens, im Westen die des südlichen Chile), die Südspitze Afrikas bis hinauf zum Sambesi mit niederdeutschem Untergrund und britischer Färbung, und als kleinster die Südostecke Australiens. Den Brennpunkten deutscher Siedelungsarbeit innerhalb dieser weiten Gebiete sind Nebenkarten größeren Maßstabes gewidmet, geschichtlich anziehenden Stätten ist besondere Berücksichtigung zu teil geworden und in Anerkennung ihrer Verdienste um die Erhaltung deutscher Art auf möglichst vollzählige Angabe deutscher Kirchen- und Schulgemeinen, deutscher Zeitungen und Vereine Bedacht genommen. Da die gesamte kolonisatorische Tätigkeit des Deutschtums zur Darstellung gelangen sollte, nicht nur derjenigen deutschen Stämme, welche die neue Reichsgrenze umschließt, sind gleicherweise die Siedelungen der mennonitischen Deutsch-Russen in Nord-Amerika, der evangelischen Deutsch-Russen in der Dobrudscha, der niederdeutschen Buren in Süd-Afrika, der Schweizer und Tiroler in Amerika, der Flamen in Wales und auf den Flamischen Inseln u. s. w. berücksichtigt. Auch beschränkt sich die Darstellung nicht auf den jetzigen Stand der deutschen Siedelungen, sondern auch die untergegangenen deutschen Acker- und Bergbaukolonien, besonders in Europa, die wegen ihrer Kleinheit dem verschmelzenden Einflusse des umgebenden Volkstums nicht widerstehen konnten, sind vertreten, ebenso wie die ersten Versuche deutscher staatlicher Kolonisation, die brandenburgisch-preußischen Besitzungen an der afrikanischen Westküste.

Die deutsche Handelskolonisation, sowohl die mittelalterliche der Deutschen Hansa, wie die heutige die ganze Erde umspannende, bildet als weiteres wichtiges Glied deutscher Siedeltätigkeit einen Hauptgegenstand der Darstellung. Anschließend wurde das deutsche Wirtschaftsgebiet, die handelspolitischen Beziehungen des Deutschen Reiches zum Auslande, der deutsche Schiffsverkehr in fremden Häfen, die konsularischen Vertretungen, die Stationen der deutschen Kriegsmarine und die wichtigsten Ausfuhr-Industriegebiete des Reiches behandelt. Doch auch der Verbreitung der geistigen deutschen Kultur wurde Rechnung getragen: die Bestrebungen deutscher Auswanderer, Seemanns- und Heiden-Missionen, das deutsche Schul- und Kirchenwesen des Auslandes, der Anteil der Deutschen an der Erschließung bisher unerforschter Gebiete, finden sich verzeichnet.


Nr. 7. Rußland. (Deutsche Kolonisation im Osten. II. Auf slavischem Boden.) – 1 : 10 000 000.

Nebenkarten: Das Deutschtum in den Ostseeprovinzen. Riga und Umgebung. Deutsche Siedelungen in Polen. Lodz und Umgebung. Deutsche Kolonien um St. Petersburg. Deutsche Kolonien in Wolynien. Die Sechziger-, Zweiundzwanziger- und Achtundzwanziger-Kolonien. Die Ansiedelungen bei Jamburg. Deutsche Kolonie Nikolajewsky. Deutsche Kolonie Riebensdorf. Der deutsche Koloniekomplex Belowesch. Deutsche Kolonie Neu-Meseritz. Die deutschen Wolga-Kolonien. Deutsche Herrnhuter-Kolonie Sarepta. Die deutschen Mennoniten-Kolonien an der Molotschna und Chortitza. Deutsche Ansiedelungen auf der Krim. Schweizerkolonie Zürichthal. Die deutschen Kolonien in Bessarabien und um Odessa. Deutsche Kolonien in Cis- und Transkaukasien. Der Glücksthaler Bezirk. Der Kutschurganer Bezirk. Der Liebenthaler Bezirk. Der Beresaner Bezirk. Rohrbach-Karlsruhe. Die „Deutsche Kolonie“. Der Molotschnaer Kolonistenbezirk. Berdjanskischer Kolonistenbezirk. Darmstadt-Kaiserthal. Die deutschen Kolonien bei Jekaterinoslaw. Grunau-Ludwigsthal. Deutsche Mennoniten-Kolonie Alexanderfeld im Kaukasus. Deutsche Dörfer um Tiflis. — Deutsche Kolonien in der Dobrudscha. Atmadscha. — Deutsche Mennoniten-Ansiedelungen Anlie Ata in Khiwa und bei Bokhara.


Die deutschen Wolga-Kolonien.


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  1. Deutscher Kolonial-Atlas. – Gotha, 1897.