Geschichte der Wolgadeutschen

DEUTSCHE ERDE

ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHKUNDE


Die deutsche katholischen Kolonien auf der Bergseite der Wolga in Rußland.

Von
Pater Konrad Keller in Odessa.

Rußland, der große nordische Koloß, das 255 Jahre lang unter dem Sklavenjoch einer mongolischen Räuberbande schmachtete, weil es den Grundsatz nicht verstand „Einheit macht stark“ und noch zwei Jahrhunderte, nachdem es endlich das Sklavenjoch abgeworfen, ein armseliges Schlaraffenleben fristete, fing erst an, geweckt zu werden, als die Hammerschläge und Beilhiebe Peters des Großen zu Saardam auf der dortigen Schiffswerft ertönten. Peter der Große glaubte mit diesen Instrumenten, Hammer und Beil, sein großes Reich zu heben und zu kultivieren. Deshalb berief er auch nur solche Leute aus dem Ausland, welche derartige Instrumente kunstgemäß handhaben konnten. Aber die Erfahrung lehrte, daß Peter hierin einen Mißgriff getan hatte. Er wollte dort einen Industriestaat schaffen, wo noch kein Agrikulturstaat, der bei einer naturgemäßen Kulturentwicklung vorangehen muß, vorhanden war. Zu dieser Einsicht kam erst Katharina II. Diese große Kaiserin hatte einen schärferen und klareren Blick als ihr großer Vorgänger. Sie sah und ersah den Grund der großen Armut in dein großen länderreichen Rußland. Die Bodenkultur mußte gehoben werden: das war ihr Grundsatz. Aber wer konnte dieses? Das konnten nur Leute, die Intelligenz, Arbeitsamkeit und Geduld hatten. Und das waren die Landsleute der großen Kaiserin, die Deutschen. Deshalb erließ Katharina II. am 8. Juli 1763 ein Manifest, worin sie deutsche Ackerbauern und Gewerbsleute nach Rußland zur Ansiedlung einlud und denselben verschiedene Vorrechte und Unterstützungen in Aussicht stellte. Das Manifest verfehlte in Deutschland seine Wirkung nicht, denn schon im nächsten Jahre (1764) kamen 30000 deutsche Kolonisten nach Rußland, welche auf beiden Seiten der Wolga in 101 Kolonien angesiedelt wurden. Von diesen Kolonien waren 31 von Katholiken angesiedelt. Werfen wir nun einen kurzen Blick auf die Geschichte jener Gegend, d. h. das rechte Ufer der mittleren Wolga, wo die deutschen Kolonisten, von denen unten die Rede sein wird, eine neue Heimat fanden. Der Vater der Geschichte, Herodot, berichtet über diese Gegend also[1]: „Geht man aber über den Fluß Tanais (jetzt Don), so ist kein Skythisches Land mehr, sondern die erste Abteilung des Landes gehört den Sauromaten, welche von dem innersten Winkel des Mäotischen Sees an nach Norden zu auf eine Strecke von fünfzehn Tagereisen ein Land bewohnen, welches ganz kahl ist und weder wilde noch zahme Bäume enthält[2]. Über diesen wohnen die Budinen, welche die andere Abteilung inne haben, ein Land, das ganz mit mannigfacher Waldung bedeckt ist.“ Diese Waldungen sind heute noch großenteils vorhanden. Und es unterliegt keinem Zweifel, daß die deutschen Kolonisten auf der Bergseite der Wolga das Land der Budinen des Herodot bewohnen. Nach Herodot schweigt die Geschichte lange Zeit über die Schicksale der Wolgaländer. Erst der Geograph Ptolemäus bringt Nachrichten über jene Länder und zeichnet auch die Wolga unter dem Namen „Rha“ auf seiner Landkarte. Nach Ptolemäus bildet die Wolga die Ostgrenze des asiatischen Sarmatien. Er setzt die Hyzerboreer hoch nach Norden, südlich von diesen die Basilikajoi, dann noch südlicher die Swardenoi und die Thainides, beide letzteren am Westufer der Wolga, also in der Umgegend von Saratow. Die seit dem 3. Jahrhundert n. Chr. von Asien sich heranwälzenden Völkerwogen rissen die Ureinwohner jener Gegenden mit sich fort und dieselben blieben zeitweilig in den Heeren der hunnischen und awarischen Weltenstürmer den Blicken des Geschichtsschreibers verborgen, aber als die Reiche dieser wilden Eroberer zusammenbrachen, erschienen auch die meisten von diesen Völkern wieder auf der Oberfläche der Geschichte und einige gründeten selbständige Reiche, wie die Chasaren und Bulgaren. Im Mittelalter waren die kleinen Völkerschaften jener Gegend der goldenen Horde von Kaztschak unterworfen. Als dann im 15. Jahrhundert das Reich der goldenen Horde zerfiel, gehörte jene Gegend nominell zum Königreich Astrachan, war aber bis zur Eroberung durch die Russen im Jahre 1556 stets der Tummelplatz von Wegelagerern und Räuber banden. Buch unter russischer Herrschaft dauerte das Räuberwesen noch lange fort und die ersten deutschen Ansiedler an der Wolga hatten noch viel zu leiden durch die Einfälle der Kirgisen und die Raubzüge des berüchtigten Emiljan Pugatschew, der nur durch die Bitte des Pfarrers der Kolonie Schuck sich bewegen ließ, die deutschen Kolonien nicht der Plünderung preiszugeben. Nun folgt eine kurze Beschreibung der katholischen Kolonien auf der Bergseite der Wolga.


Die Kolonie Kamenka.

Die Kolonie Kamenka ist gegründet im Jahre 1764 von deutschen Auswanderern, die aus verschiedenen Gegenden Deutschlands stammten und alle katholischer Konfession waren. Die Kolonie liegt an dem linken Ufer des Flusses Ilawla, eines Nebenflusses des Don, und befindet sich 110 Werst von der Gouvernementsstadt Saratow und 70 Werst von der Kreisstadt Kamischin entfernt. Das Dorf ist in vier Häuserreihen erbaut, die eine Werst in der Länge und 160 Faden in der Breite einnehmen. Nach der allgemeinen Revision des ganzen russischen Reiches vom Jahre 1788 zählte Kamenka 97 Familien mit 268 männlichen und 267 weiblichen Seelen. Seit der Gründung der Kolonie sind ausgewandert: im Jahre 1858 in das Gouvernement Samara 40 Familien mit 104 männlichen Seelen — die weiblichen sind nicht angegeben —, in den Jahren 1886 und 1887 nach Amerika (Vereinigte Staaten und Argentinien) 35 Familien.

Gegenwärtig zählt die Kolonie Kamenka 399 Hofstellen mit 5351 Seelen beiderlei Geschlechts, alle katholischer Konfession[3]. Außerdem wohnen 146 Familien beständig auswärts. Des Lesens und Schreibens sind kundig 725[4] männliche und 729 weibliche Personen. In Kamenka befinden sich Häuser aus Stein 58, aus Holz 253, aus Lehm 71.

In Kamenka ist der Sitz des Dekans, dem alle katholischen Geistlichen auf der Bergseite unterstehen. Im Jahre 1906 wurde an Stelle der abgebrannten hölzernen Kirche eine solche aus gebrannten Ziegeln erbaut. In der Kolonie befinden sich eine Pfarrschule und zwei Privatschulen, von denen jedoch die Lehrer- und Schülerzahl in den Quellen nicht angegeben ist. In Kamenka befindet sich der Sitz des Landvogts, das Wolostamt, ein Arzt, zwei Feldschere, eine Feldscherin, eine Hebamme, eine Apotheke, ein Lazarett mit zehn Betten, eine Post und Telegraphenstation, zwei Jahrmärkte und jeden Sonntag Basar. Durch Kamenka führt die große Landstraße von Saratow nach Astrachan. Handwerker befinden sich in dieser Kolonie: 33 Schuhmacher, 7 Tischler, 7 Schreiner, 2 Schneider, 19 Müller, 6 Schmiede, 5 Stellmacher, 9 Fuhrwerker, 1 Klempner, 2 Musikanten und 1 Weber. Ferner sind daselbst 45 Magazine mit Manufakturwaren, 9 Kramläden und 3 Kabaken. An Viehstand haben die Kolonisten 1272 Pferde, 119 Ochsen, 990 Kühe, 1871 Schafe, 1155 Schweine und 375 Ziegen. Abgaben und Grundzins zahlt die Gemeinde jährlich 12495 Rubel, Einkünfte bezieht dieselbe 2700 Rubel.

Das Landquantum der Gemeinde enthält 11968 Deßjatinen, davon befinden sich 8992 Deßjatinen bei der Kolonie, das übrige Land liegt 14 Werst von der Kolonie entfernt. Etwa ein Drittel des Landes ist gute Schwarzerde, die anderen zwei Drittel sind Lehmboden mit sandigem Untergrund, von dieser Landfläche werden 8064 Deßjatinen mit verschiedenen Getreidearten besät, 767 Deßjatinen sind Wald, das übrige Land wird als Viehweide benutzt. Das Gemeindeland wird hier, wie in allen Kolonien an der Wolga, ans die männlichen Seelen verteilt, und zwar findet diese Teilung alle sechs Jahre statt. Diese verkehrte Landeinteilung ist auch der Grund des Rückstandes in der Landwirtschaft und in dem Wohlstand der dortigen deutschen Kolonisten. Ihre Produkte verkaufen die Einwohner von Kamenka teils in Nischnaja Banowka an der Wolga, das von der Kolonie 10 Werst entfernt liegt, teils in der Kreisstadt Kamischin.


Dis Kolonie Jelschanka.

Diese Kolonie, im Volksmund Husary genannt, wurde im Jahre 1764 von deutschen Auswanderern und einigen Familien russifizierter Griechen, unter denen sich einige ausgediente Husaren befanden, angesiedelt. Die Kolonie liegt in einer Niederung an der linken Seite des Flusses Ilawla, 105 Werst von der Gouvernementsstadt Saratow und 75 Werst von der Kreisstadt Kamischin entfernt. Nach der Revision vom Jahre 1788 zählte die Kolonie Jelschanka 29 Hofstellen mit 78 männlichen und 59 weiblichen Seelen. Im Jahre 1830 wurden in Jelschanka noch einige katholische Familien aus der Nachbarkolonie Rossoschei angesiedelt. Seit der Ansiedlung sind aus Jelschanka ausgewandert: im Jahre 1871 in das Gouvernement Samara 15 männliche Seelen, im Jahre 1876 nach Brasilien fünf Familien und 1886 nach Nordamerika fünf Familien. Außerdem befinden sich etwa 76 Familien beständig auswärts[5].

Gegenwärtig zählt Jelschanka 222 Hofstellen mit 1686 katholischen und 60 griechisch-orthodoxen Einwohnern. Des Lesens und Schreibens sind kundig 394 männliche und 368 weibliche Personen.

Jelschanka bildet eine selbständige katholische Pfarrei, die orthodoxen Griechen zählen sich zur Pfarrei Nischnaja Banowka. Die Pfarrkirche ist aus Holz im Jahre 1859 erbaut. Die Pfarrschule besteht seit Gründung der Kolonie, doch die Zahl der Lehrer und Schulkinder ist nicht angegeben. Durch Jelschanka führt die große Landstraße von Saratow nach Astrachan. In dieser Kolonie befinden sich Handwerker: 17 Schuhmacher, 2 Schneider, 12 Ofenmacher, 7 Schreiner, 1 Faßbinder, 1 Schmied, 1 Weber, 2 Musikanten und eine Sarpinkafabrik, die 125 Menschen Beschäftigung gibt. Ferner befinden sich daselbst drei Kramläden und eine Kabak (Schnapsschenke). Der Viehstand der Kolonie zählt 534 Pferde, 96 Ochsen, 479 Kühe, 326 Schafe, 582 Schweine und 183 Ziegen. Abgaben und Grundzins zahlt die Gemeinde jährlich 5997 Rubel.

Das Gemeindeland der Kolonie beträgt 5782 Deßjatinen, davon befinden sich unter Dresch-Plätzen (Tennen) 17, unter Hofplätzen und Hausgärten 56, unter Ackerland 3630, unter Wiese (Heuschlag) 137, unter Wald 147 Deßjatinen. Das übrige Land wird zur Viehweide benutzt. Der Boden ist meistens kiesig, nur etwa ein Viertel ist Schwarzerde. Das ganze Landquantum wird alle sechs Jahre auf die vorhandenen männlichen Seelen verteilt. Die Produkte verkaufen die Kolonisten in dem Russendorf Banowka an der Wolga oder in der Kreisstadt Kamischin.


Die Kolonie Kopenka.

Die Kolonie Kopenka, im Volksmund Vollmer genannt, wurde im Jahre 1764 von deutschen Auswanderern angesiedelt. Die Kolonie liegt auf der rechten Seite des Flusses Ilawla 105 Werst von der Gouvernementsstadt Saratow, 75 Werst von der Kreisstadt Kamischin und 5 Werst von dem Wolostamt Kamenka entfernt. Nach der allgemeinen Revision vom Jahre 1788 zählte Kopenka 45 Familien mit 140 männlichen und 133 weiblichen Seelen. Bis zum Jahre 1832 befand sich die Kolonie 1 ½ Werst südlicher, wurde aber wegen der ungünstigen Lage auf Verfügung der Kolonialobrigkeit an die jetzige Stelle verlegt. Seit dem Bestehen der Kolonie sind ausgewandert im Jahre 1863 nach dem Kaukasus 12 Familien, in den Jahren 1864—78 in das Gouvernement Samara 35 Familien, im Jahre 1872 in das Wolostamt Ilawla 3 Familien, in den Jahren 1876—86 nach Amerika 17 Familien, von denen jedoch zwei Familien wieder zurückkamen. Außerdem befinden sich 64 Familien beständig auswärts.

Gegenwärtig zählt Kopenka 246 Hofstellen mit 1777 Seelen beiderlei Geschlechts, alle katholischer Konfession. Des Lesens und Schreibens sind kundig: 475 männliche und 457 weibliche Personen.

Die Kolonie Kopenka bildet eine eigene Pfarrei. Die Pfarrkirche ist aus Holz im Jahre 1859 erbaut. Es befinden sich daselbst eine Pfarrschule und eine Landesamtsschule.

In dieser Kolonie befinden sich Handwerker: 9 Weber, 20 Schuhmacher, 1 Schneider, 11 Schreiner, 5 Steinmetzen, 2 Schmiede, 4 Wagner, 2 Faßbinder und 3 Bettler. Ferner befinden sich daselbst 10 Manufakturwerkstätten, 1 Kramladen und 1 Kabak. Der Viehstand dieser Kolonie beträgt 763 Pferde, 123 Ochsen, 506 Kühe, 1025 Schafe, 549 Schweine und 311 Ziegen. Abgaben und Grundzins zahlt die Gemeinde 5122 Rubel auf das Jahr.

Der Landbesitz der Kolonie beträgt 4183 ½ Deßjatinen, davon sind unter Hoflätzen und Tennen 122, unter Ackerland 3342, unter Heuschlag 224, unter Wald 249 Deßjatinen. Das übrige Land wird zur Viehweide benutzt. Der vierte Teil des Landes ist gute Schwarzerde, das übrige Land ist teils Lehmboden, teils Sandboden mit Salpeter vermischt. Das Land ist auf die derzeit lebenden männlichen Seelen verteilt. Die Oberfläche des Landes ist meistens uneben und hügelig und wird von 14 tiefen Teichen durchzogen. In drei Teichen befinden sich starke Quellen mit gutem Trinkwasser. Ihre Produkte verkaufen die Kolonisten teils in Nischnaja Banowka, teils in der Kreisstadt Kamischin.


Die Kolonie Gniluschka.

Die Kolonie Gniluschka, im Volksmund Pfeifer genannt, wurde im Jahre 1765 von deutschen Auswanderern aus Baden, Württemberg und anderen legenden Deutschlands angesiedelt. Die Kolonie befindet sich auf der rechten Seite des Flusses Ilawla 117 Werst von der Gouvernementsstadt Saratow, 65 Werst von der Kreisstadt Kamischin und 6 Werst von dem Wolostamt Kamenka entfernt. Nach der allgemeinen Revision vom Jahre 1788 zählte Gniluschka 89 Familien mit 270 männlichen und 237 weiblichen Seelen. Seit Gründung der Kolonie sind ausgewandert in den Jahren 1860—64 in das Gouvernement Samara 23 Familien, in den Jahren 1877—86 nach Südamerika 64 Familien, in den Jahren 1868—76 wurden sechs Personen wegen schlechter Aufführung durch Gemeindespruch von der Gemeinde ausgeschlossen und nach Sibirien verschickt. Außerdem befinden sich 90 Familien beständig auswärts.

Gegenwärtig zählt Gniluschka 349 Hofstellen mit 4568 Seelen beiderlei Geschlechts, alle katholischer Konfession. Seit 1871 ist Gniluschka eine selbständige Pfarrei. Die Pfarrkirche ist im Jahre 1846 aus Holz erbaut. Es befindet sich daselbst eine Pfarrschule und seit 1888 eine russische Landesamtsschule. Des Lesens und Schreibens sind kundig: 618 männliche und 524 weibliche Personen. In Gniluschka befinden sich Handwerker: 27 Schuhmacher, 4 Tischler, 5 Stellmacher, 2 Tuchweber, 7 Schreiner, 4 Schneider, 2 Ofenmacher, 8 Schmiede und 1 Musikant. Ferner sind daselbst 1 Ölmühle, 2 Windmühlen (?), 21 Manufakturläden, 4 Kramläden und 3 Kabaken.

An Viehstand besitzt diese Kolonie 1369 Pferde, 278 Ochsen, 1112 Kühe, 2446 Schafe, 1567 Schweine und 255 Ziegen. Abgaben und Grundzins zahlt diese Kolonie jährlich 10514 Rudel. Der Gemeindelandbesitz beträgt 11979 Deßjatinen, davon befinden sich unter Ackerland 8195, unter Wiesen 150, unter Wald 245, unter Viehweide 265, unter Hanfsaat 6, unter Kartoffelfeldern 37, unter Krautgärten 6, unter Hofplätzen und Gemüsegärten 126 und unter Tennen 45 Deßjatinen. Die Figur des Gemeindelandes bildet ein Rechteck von 12 Werst Länge und 7 Werst Breite. Die Oberfläche des Landes ist meistens hügelig, 450 Deßjatinen sind gute Schwarzerde, das übrige Land ist meistens Lehmboden mit sandigem Untergrund. Auf der Steppe befinden sich sieben Dämme zur Viehtränke. Das Land ist auf die männlichen Seelen verteilt. Die Kolonisten verkaufen ihre Produkte meistens in Nischnaja Banowka an der Wolga, seltener in der Kreisstadt Kamischin.


Die Kolonie Panowka.

Die Kolonie Panowka, in, Volksmund Hildmann genannt, wurde im Jahre 1766 von deutschen Auswanderern aus Hessen-Darmstadt angesiedelt. Die Kolonie liegt an der linken Seite des Flusses Ilawla 120 Werst von der Gouvernementsstadt Saratow, 58 Werst von der Kreisstadt Kamischin und 13 Werst von dem Wolostamt Semenowka entfernt. Nach der allgemeinen Volkszählung von 1788 zählte Panowka 39 Familien mit 181 männlichen und 113 weiblichen Seelen. Seit Gründung der Kolonie sind ausgewandert in den Jahren 1860—68 in das Gouvernement Samara 3 Familien, in den Jahren 1879—86 nach Amerika 21 Familien, im Jahre 1879 sind durch Gemeindespruch 12 Personen wegen schlechter Aufführung aus der Gemeinde ausgeschlossen und nach Sibirien verschickt worden. Überdies befinden sich 42 Familien beständig auswärts.

Gegenwärtig zählt diese Kolonie 183 Hofstellen mit 1884 Seelen beiderlei Geschlechts, alle katholischer Konfession, Panowka bildet eine eigene Pfarrei mit der Filiale Ilawla (Leichtling). Die hölzerne Pfarrkirche ist im Jahre 1845 aus freiwilligen Beiträgen erbaut. Eine Pfarrschule besteht daselbst seit 1768. Des Lesens und Schreibens sind kundig 294 männliche und 358 weibliche Personen. In dieser Kolonie beschäftigen sich 175 männliche und 37 weibliche Personen im Winter mit Korbflechten. Die dortigen Körbe werden in der ganzen Umgegend gern gekauft. Außerdem befinden sich daselbst 8 Handwerkstätten, 3 Mühlen, 2 Kramläden und 1 Kabak.

An Viehstand haben diese Kolonisten 647 Pferde, 58 Ochsen, 420 Kühe, 723 Schafe, 653 Schweine und 130 Ziegen. Abgaben und Grundzins zahlt die Gemeinde 4749 Rubel. Das Landquantum der Gemeinde beträgt 7180 ½ Deßjatinen, davon sind unter Tennen 16, unter Hofplätzen und Gemüsegärten 92, unter Ackerland 2795, unter Wiesen 292. unter Wald 66 Deßjatinen, das übrige Land wird zur Viehweide benutzt. Die eine Hälfte des Bodens ist lehmig und mit vielen weißen Steinchen besät, die andere Hälfte ist meistens gute Schwarzerde, doch stellenweise auch mit Lehm, Kies und Salpeter gemischt. Der Untergrund besteht aus Sand und Lehm. Die Oberfläche des Landes ist vielerorts hügelig und wird von neun tiefen Tälern durchschnitten. Ihre Produkte verkaufen diese Kolonisten teils in Nischnaja Banowka an der Wolga (30 Werst), teils in der Kreisstadt Kamischin.


Die Kolonie Ilawla.

Die Kolonie Ilawla, auch Räsowka und Leichtling genannt, wurde in den wahren 1764/65 von deutschen Auswanderern aus dem Königreich Sachsen und anderen Gegenden Deutschlands angelegt. Die Kolonie befindet sich auf der linken Seite des Flusses Ilawla 126 Werst von der Gouvernementsstadt Saratow, 52 Werst von der Kreisstadt Kamischin und 19 Werst von dem Wolostamt Semenowka entfernt. Nach der allgemeinen Volkszählung vom Jahre 1788 zählte Ilawla 45 Familien mit 133 männlichen und 126 weiblichen Seelen. Seit der Gründung dieser Kolonie sind von dort ausgewandert im Jahre 1861 nach dem Kaukasus zwei Familien, 1884 in das Gouvernement Samara zwölf Familien und 1886 nach Südamerika sechs Familien. Außerdem wohnen 37 Familien beständig auswärts.

Gegenwärtig zählt diese Kolonie 185 Hofstellen mit 1836 Seelen beiderlei Geschlechts, alle katholischer Konfession. Des Lesens und Schreibens sind kundig 293 männliche und 273 weibliche Personen. Die Kolonie Ilawla bildet eine Filiale zu der Pfarrei Panowka. Eine Kirche besitzt die Kolonie nicht, der Gottesdienst wird im Schulhaus abgehalten. Es befinden sich daselbst eine Gemeindeschule und eine Landesamtsschule. In dieser Kolonie befinden sich Handwerker: 15 Schuhmacher, 4 Weber, 2 Faßbinder, 2 Stellmacher, 2 Tischler, l Schneider und 2 Musikanten, ferner 1 Kramladen, 1 Kabak, l Ölmühle und 1 Mühle.

Der Viehstand dieser Kolonisten beträgt 570 Pferde, 138 Ochsen, 479 Kühe, 73l Schafe, 549 Schweine und 244 Ziegen. Abgaben und Grundzins zahlt die Gemeinde jährlich 4661 Rubel. Der Landbesitz der Kolonie beträgt 5193 Deßjatinen, davon sind unter Tennen 11, unter Hofplätzen und Gemüsegarten 80, unter Ackerland 3117, unter Wiesen 50, unter Wald 154 Deßjatinen. Das übrige Land wird als Viehweide gerechnet. Die eine Hälfte des Bodens ist Schwarzerde, die andere Hälfte ist lehmig und stellenweise kiesig. Die Oberfläche des Landes zeigt einige Hügel und wird von zwei Tälern durchschnitten. Auf dem Felde sind zwei Dämme zur Viehtränke errichtet. Durch diese Kolonie führt die große Landstraße von Saratow nach Astrachan. Ihre Produkte verkaufen die Kolonisten in Nischnaja Banowka oder in der Kreisstadt Kamischin.


Die Kolonie Karaulny-Buerak.

Die Kolonie Karaulny-Buerak, im Volksmund Köhler genannt, wurde in den Jahren 1764—66 von deutschen Auswanderern aus Bayern, Elsaß-Lothringen und anderen Gegenden Deutschlands angesiedelt. Diese Kolonie liegt am rechten Ufer des Flusses Ilawla 120 Werst von der Gouvernementsstadt Saratow, 55 Werst von der Kreisstadt Kamischin und 20 Werst von dem Wolostamt Semenowka entfernt. Nach der allgemeinen Volkszählung vom Jahre 1788 befanden sich in dieser Kolonie 84 Familien mit 259 männlichen und 252 weiblichen Seelen. Seit der Ansiedlung sind von dort ausgewandert in den Jahren 1861—72 in das Gouvernement Samara 11 Familien, 1870—74 in den Kaukasus 17 Familien, im Jahre 1874 in das Wolostgebiet Ilawla 6 Personen, in den Jahren 1877—86 nach Südamerika 58 Familien, von 1875 bis 1880 sind mittels Gemeindespruch 26 Personen von der Gemeinde ausgeschloffen und nach Sibirien verschickt worden; ebenso wurden zwei Personen durch Richterspruch nach Sibirien verbannt. Überdies wohnen 70 Familien beständig auswärts.

Gegenwärtig zählt diese Kolonie 384 Hofstellen mit 5063 Seelen beiderlei Geschlechts, alle katholischer Konfession. Des Lesens und Schreibens sind kundig 554 männliche und 761 weibliche Personen. Die Kolonie Karaulny-Buerak bildet eine eigene Pfarre, die Pfarrkirche ist aus Holz im Jahre 1864 erbaut. Es befinden sich in dieser Kolonie eine Pfarrschule und seit 1884 eine russische Landesamtsschule. Die Zahl der Schulkinder beträgt in beiden Schulen 540. Handwerker befinden sich in dieser Kolonie: 5 Schmiede, 13 Stellmacher, 2 Ofenmacher, 4 Schreiner, 6 Tuchweber, 4 Scherenschleifer, 17 Schuhmacher und 1 Faßbinder. Ferner sind daselbst 21 Warenniederlagen, 2 Kramläden, 2 Kabaken, 2 Mühlen und 1 Ölmühle.

Der Viehstand dieser Kolonie zählt 1417 Pferde, 376 Ochsen, 1083 Kühe, 2464 Schafe, 1123 Schweine und 132 Ziegen. Abgaben und Steuern zahlt die Gemeinde jährlich 11276 Rubel. Das Gemeindeland beträgt l2961 Deßjatinen, daran sind unter Tennen 35, unter Hofplätzen und Gemüsegärten 197, unter Ackerland 5681, unter Wiesen 555, unter Wald 603 Deßjatinen, das übrige Land wird als Viehweide benutzt. Der Boden des Landes ist zu zwei Dritteln Schwarzerde, ein Drittel ist sandig mit Salpeter gemischt. Der Untergrund ist Lehm. Das Land ist auf die gegenwärtig lebenden männlichen Seelen verteilt. Ihre Produkte verkaufen die Kolonisten meistens in der Kreisstadt Kamischin.


Die Kolonie Semenowka.

Die Kolonie Semenowka wurde im Jahre 1764 von deutschen Auswanderern aus Preußen (wahrscheinlich aus den Rheingegenden) angesiedelt. Die Kolonie liegt an dem Flüßchen Semenowka, wo dasselbe sich von rechts in den Fluß Ilawla ergießt, und ist 145 Werst von der Gouvernementsstadt Saratow und 45 Werst von der Kreisstadt Kamischin entfernt. Diese Kolonie hat sich seit 1895 mit nach fünf Kolonien von dem Kamenker Wolostgebiet getrennt und ein eigenes Wolostamt gebildet, doch hat die Verwaltung des neuen Semenowker Wolostamtes ihren Sitz in der Kolonie Ilawla.

Nach der allgemeinen Volkszählung vom Jahre 1788 zählte Semenowka 50 Familien mit 145 männlichen und 163 weiblichen Seelen. Seit der Gründung sind aгs dieser Kolonie ausgesiedelt in den Jahren    1860—80 in das Gouvernement Samara 91 Familien, im Jahre 1861 nach dem Kaukasus 26 Familien, in den Jahren 1868/66 in das Wolostgebiet bei Kamischin 17 Familien, im Jahre 1886 nach Südamerika (Brasilien) 64 Familien. Außerdem befinden sich 127 Familien beständig auswärts.

Gegenwärtig zählt diese Kolonie 482 Hofstellen mit 5953 Seelen beiderlei Geschlechts, alle katholischer Konfession. Die Kolonie Semenowka bildet eine selbständige Pfarrei. Die Kirche ist von Holz, mit Eisenblech gedeckt und im Jahre 1855 erbaut. Es befinden sich daselbst eine Pfarrschule und eine Privatschule. Des Lesens und Schreibens sind kundig 770 männliche und 927 weibliche Personen. In dieser Kolonie befinden sich Handwerker: 57 Stellmacher, 4 Tischler, 10 Schneider und 3 Schmiede. Ferner sind daselbst 10 Manufakturwaren-Niederlagen, 4 Kramläden, 3 Kabaken, 1 Vorratsmagazin und jährlich 2 Jahrmärkte.

Der Viehstand dieser Kolonie beträgt 1169 Pferde, 594 Ochsen, 1412 Kühe, 2252 Schafe, 909 Schweine und 341 Ziegen. Abgaben und Grundzins zahlt die Kolonie jährlich 10922 Rubel, Einkünfte hat dieselbe 1164 Rubel. Das Landquantum der Kolonie beträgt 13221 Deßjatinen, davon sind unter Tennen 37, unter Hofplätzen und Gemüsegärten 201, unter Ackerland 4841, unter Wiesen 391, unier Wald 718 Deßjatinen. Das übrige Land, beinahe drei Fünftel, liegt alles für Viehweide. Das ist entschieden zu viel und zeigt eine schlechte Wirtschaft. Der Boden der Landfläche ist teils Schwarzerde, teils Lehm und Kiesboden; der Untergrund ist Lehm. Das Land ist an mehreren Stellen hügelig und wird von fünf tiefen Tälern durchschnitten. Auf der Steppe befinden sich einige Dämme zur Viehtränke. Die Gegend ist romantisch, das Klima gesund. Ihre Produkte verkaufen die Kolonisten in der Kreisstadt Kamischin oder in dem Russendorf Tscherbakowka. Diese Kolonie verkauft jährlich etwa 300000 Pud Weizen.


Die Kolonie Ust-Grasnucha.

Die Kolonie Ust-Grasnucha, im Volksmund Göbel genannt, wurde im Jahre 1764 von deutschen Auswanderern aus Österreich angesiedelt. Diese Kolonie liegt in einer Niederung auf der linken Seite des Flusses Ilawla 133 Werst von der Gouvernementsstadt Saratow, 46 Werst von der Kreisstadt Kamischin und 6 Werst von dem Wolostamt entfernt. Nach der allgemeinen Volkszählung vom Jahre 1788 zählte diese Kolonie 67 Familien mit 182 männlichen und 175 weiblichen Seelen. Seit der Gründung sind aus dieser Kolonie ausgewandert in den Jahren 1859—65 nach dem Kaukasus 4 Familien, 1863—72 in das Gouvernement Samara 10 Familien, im Jahre 1886 nach Südamerika 7 Familien. Außerdem wohnen 64 Familien beständig auswärts.

Gegenwärtig zählt diese Kolonie 355 Hofstellen mit 2856 Seelen beiderlei Geschlechts, alle katholischer Konfession. Ust-Grasnucha ist ein eigenes Kirchspiel. Die Pfarrkirche ist aus Holz im Jahre 1848 erbaut. Es befindet sich daselbst eine Pfarrschule und seit 1892 eine russische Landesamtsschule. Des Lesens und Schreibens sind kundig 461 männliche und 532 weibliche Personen. Handwerker sind daselbst: 7 Schuhmacher, 2 Tischler, 1 Schneider, 1 Schreiner, l Faßbinder, 8 Musikanten und 4 Bettler. Ferner sind daselbst 1 Poststation, 2 Jahrmärkte, 5 Mühlen.

Der Viehstand dieser Kolonie beträgt: 1118 Pferde, 490 Ochsen, 1080 Kühe, 1350 Schafe, 933 Schweine und 209 Ziegen. Abgaben und Grundzins zahlt die Gemeinde 8798 Rubel aufs Jahr, Einkünfte hat dieselbe 1772 Rubel. Das Gemeindeland beträgt 12365 ½ Deßjatinen, davon sind unter Tennen 19, unter Hausplätzen und Gemüsegärten 154, unter Ackerland 4793, unter Wiesen 338, unter Wald 395, das übrige Land wird zur Viehweide benutzt. Der Boden ist teils Schwarzerde, teils Sandboden mit Salpeter gemischt; der Untergrund ist Lehm. Auf dem Felde befinden sich sechs Dämme zur Viehtränke. Ihre Produkte verkaufen die Kolonisten in der Kreisstadt Kamischin oder in dem Dorfe Tscherbakowka.


Die Kolonie Marienfeld.

Die Kolonie Marienfeld, auch Spatzenchutor genannt, wurde im Jahre 1852 von deutschen Kolonisten aus den Wolostämtern Kamenka und Norka gegründet. Die Kolonie liegt auf der linken Seite des Flüßchens Mokraja Olchowka 174 Werst von der Gouvernementsstadt Saratow, 25 Werst von der Kreisstadt Kamischin, 20 Werst von dem Wolostamt Rosenberg und eine Werst von der Eisenbahnstation Awilowa. Bei der Gründung der Kolonie war die Zahl der Familien 105 mit 275 männlichen und 301 weiblichen Seelen. Ausgewandert sind aus dieser Kolonie im Jahre 1865 nach dem Kaukasus 46 Personen, in den Jahren 1877—86 nach Amerika 30 Familien. Außerdem befinden sich 24 Familien beständig auswärts.

Gegenwärtig zählt diese Kolonie 124 Hofstellen mit 1483 Katholiken und 4 orthodoxen Russen. Seit dem Jahre 1859 bildet diese Kolonie mit der Filiale Josephsthal eine eigene Pfarrei. Die Kirche ist aus Holz im Jahre 1857 auf Gemeindekosten erbaut. Die Pfarrschule besteht seit 1852 und zählt 211 Schulkinder. Des Lesens und Schreibens sind kundig 246 männliche und 258 weibliche Personen. In dieser Kolonie befinden sich Handwerker: 15 Schuhmacher, 4 Schreiner, 2 Tischler, 5 Stellmacher, 1 Schmied und 2 Weber. Ferner sind daselbst 25 Warenniederlagen, l Kramladen, 3 Windmühlen, 1 Wassermühle, 1 Ölmühle und 1 Kabak (Schnapsschenke).

Der Viehstand dieser Kolonie beträgt 494 Pferde, 140 Ochsen, 472 Kühe, 820 Schafe, 302 Schweine und 98 Ziegen. Abgaben und Grundzins zahlt die Gemeinde jährlich 4383 Rubel. Das Landquantum der Kolonie beträgt 8495 1/5 Deßjatinen, davon sind unter Ackerland 5062, unter Wiesen 251, unter Wald 195 1/5 Deßjatinen, das übrige Land ist unter Gebäuden und Viehweide, von dem Ackerland ist ein Drittel gute Schwarzerde, das übrige Land ist teils Sandboden, teils Lehmboden mit Salpeter vermischt. Der Untergrund ist roter Lehm. Das Land ist an einigen Stellen hügelig. Ihre Produkte verkaufen die Kolonisten in der Kreisstadt Kamischin und an der Eisenbahnstation Awilowa.


Die Kolonie Josephsthal.

Die Kolonie Josephsthal, auch Schwabenchutor genannt, wurde im Jahre 1852 von Kolonisten des Wolostamtes Kamenka gegründet. Die Kolonie liegt an der linken Seite des Flüßchens Suchaja Olchowka 174 Werst von der Gouvernementsstadt Saratow, 35 Werst von der Kreisstadt Kamischin, 20 Werst von dem Wolostamt Rosenberg und 11 Werst von der Eisenbahnstation Awilowa entfernt. Nach der Volkszählung vom Jahre 1862, also zehn Jahre nach der Ansiedlung, waren in dieser Kolonie 54 Hofstellen mit 352 männlichen und 265 weiblichen Seelen. Seit Gründung dieser Kolonie sind ausgewandert in den Jahren 1864/63 in den Kaukasus 60 Personen, im Jahre 1872 in verschiedene Gegenden 6 Personen, 1877 nach Amerika 6 Familien und 4 ledige Personen. Beständig auswärts wohnen 76 Familien.

Gegenwärtig zählt diese Kolonie 139 Hofstellen uni 1206 Seelen beiderlei Geschlechts, die mit Ausnahme von 7 orthodoxen Russen alle katholischer Konfession sind. Josephsthal bildet eine Filiale der Pfarrei Marienfeld. Die Kirche ist im Jahre 1904 aus Holz erbaut. Es befindet sich in dieser Kolonie eine Gemeindeschule mit 186 Schulkindern. Des Lesens und Schreibens sind kundig 148 männliche und 163 weibliche Personen. Handwerker sind daselbst: 1 Schneider, 1 Schuhmacher, 1 Tischler, 2 Stellmacher, 2 Schmiede und 2 Weber. Ferner befinden sich dort 1 Dampfmühle, l Wassermühle, 3 Windmühlen, 1 Ziegelbrennerei, 2 Kramläden und 1 Kabak.

Der Viehstand dieser Kolonie beträgt 402 Pferde, 150 Ochsen, 545 Kühe, 1271 Schafe, 350 Schweine und 114 Ziegen. Abgaben und Grundzins zahlt die Gemeinde jährlich 4455 Rubel. Das Gemeindeland beträgt 6764 Deßjatinen, davon sind 3715 Deßjatinen Ackerland. Der Boden ist meistens lehmhaltig, nur ein Viertel ist Schwarzerde. Der Untergrund ist roter Lehm. Die Oberfläche des Landes ist an vielen Stellen uneben und hügelig, 18 tiefe Teiche durchziehen die Landmarkung. Das Land ist auf die männlichen Seelen verteilt. Ihre Produkte verkaufen die Kolonisten in der Kreisstadt Kamischin und auf der Eisenbahnstation Awilowa.


Die Kolonie Grasnowatka.

Die Kolonie Grasnowatka, im Volksmund Schuck genannt, wurde in den Jahren 1764/65 von deutschen Auswanderern aus verschiedenen Gauen Deutschlands angesiedelt. Die Kolonie liegt auf der linken Seite des Flüßchens Grasnowatka 103 Werst von der Gouvernementsstadt Saratow, 82 Werst von der Kreisstadt Kamischin und 12 Werst von dem Wolostamt Kamenka entfernt. Nach der allgemeinen Volkszählung vom Jahre 1788 befanden sich in dieser Kolonie 31 Familien mit 102 männlichen und 95 weiblichen Seelen. Seit der Gründung sind aus dieser Kolonie aus gesiedelt in den Jahren 1760—74 in das Gouvernement Samara 19 Familien, im Jahre 1865 nach dem Kaukasus 4 Familien, in den Jahren 1876—87 nach Südamerika 30 Familien, von denen jedoch 4 Familien wieder zurückkamen. Beständig auswärts wohnen 28 Familien.

Gegenwärtig zählt diese Kolonie 191 Hofstellen mit 1772 Seelen beiderlei Geschlechts, alle katholischer Konfession. Grasnowatka bildet mit der Filiale Kameny-Owrag eine besondere Pfarrei. Die Pfarrkirche ist aus Holz im Jahre 1857 auf Gemeindekosten erbaut. In dieser Kolonie befindet sich eine Pfarrschule und seit 1889 eine russische Landesamtsschule. Des Lesens und Schreibens sind kundig 387 männliche und 365 weibliche Personen. In dieser Kolonie beschäftigen sich 26 Familien mit 150 Personen mit der Fabrikation von Sarpinka. Außerdem sind daselbst Handwerker: 12 Schuhmacher, 4 Tischler und 5 Schmiede. Ferner befinden sich in dieser Kolonie 5 Mühlen, 12 Manufakturwaren-Niederlagen, 2 Kramläden und 1 Kabak.

An Viehstand haben diese Kolonisten 738 Pferde, 87 Ochsen, 465 Kühe, 782 Schafe, 947 Schweine und 299 Ziegen. Auch treiben einige Wirte Bienenzucht. Abgaben und Grundzins zahlt die Gemeinde jährlich 5519 Rubel. Das Gemeindeland beträgt 5340 Deßjatinen, davon sind 276 Deßjatinen Wald. Der Boden ist meistens sandig, nur ein Achtel ist gute Schwarzerde. Die Oberfläche ist an vielen Stellen uneben und hügelig. Auf dem Felde sind vier Dämme zur Viehtränke errichtet. Die Kolonisten verkaufen ihre Produkte meistens in Nischnaja Banowka.


Die Kolonie Kameny-Owrag.

Die Kolonie Kameny-Owrag, im Volksmund Degott genannt, wurde im Jahre 1764 von deutschen Auswanderern aus verschiedenen Gegenden Deutschlands angesiedelt. Die Kolonie liegt an der Quelle des Flüßchens Kamenka 102 Werst von der Gouvernementsstadt Saratow, 88 Werst von der Kreisstadt Kamischin und 22 Werst von dem Wolostamt Ust-Salicha entfernt. Nach der Volkszählung vom Jahre 1788 zählte diese Kolonie 8 Hofstellen mit 27 männlichen und 21 weiblichen Seelen. Seit der Gründung sind ausgewandert im Jahre 1861 nach der Kolonie Marienfeld 33 Personen, 1886 nach Amerika 2 Familien. Beständig auswärts leben 3 Familien.

Gegenwärtig zählt diese Kolonie 46 Hofstellen mit 421 Seelen beiderlei Geschlechts, alle katholischer Konfession. Diese Kolonie bildet eine Filiale zu der Pfarrei Grasnowatka. Die Kirche ist aus Holz im Jahre 1903 auf Gemeindekosten erbaut. Ebenso befindet sich daselbst eine Kapellen im Jahre 1871 erbaut, und eine Gemeindeschule. Des Lesens und Schreibens sind kundig 78 männliche und 60 weibliche Personen. 40 Personen beschäftigen sich mit der Fabrikation von Sarpinka.

Der Viehstand dieser kleinen Kolonie beträgt 178 Pferde, 10 Ochsen, 99 Kühe, 141 Schafe, 183 Schweine und 73 Ziegen. Abgaben und Grundzins zahlt die Gemeinde 1191 Rubel. Gemeindeland hat diese Kolonie 1478 ½ Desjatinen, davon sind 925 ½ Deßjatinen Ackerland. Der Boden ist größtenteils lehmig, nur ein kleiner Teil ist Schwarzerde. Die Oberfläche des Landes ist hier schon bergig, besonders erhebt sich der Boden gegen Nordwest. Die Kolonisten verkaufen ihre Produkte meistens in Nischnaja Banowka an der Wolga.


Die Kolonie Pamjatnaja.

Die Kolonie Pamjatnaja, im Volksmund Rothammel genannt, wurde im Jahre 1764 von deutschen Auswanderern aus verschiedenen Gegenden Deutschlands und einigen französischen Familien gegründet. Die Kolonie liegt auf der rechten Seite des Flusses Karamisch 104 Werst von der Gouvernementsstadt Saratow, 90 Werst von der Kreisstadt Kamischin, 7 Werst von dem Wolostamt Oleschna und 33 Werst von der Eisenbahnstation Krasnijar entfernt. Nach der Volkszählung vom Jahre 1788 bestand diese Kolonie aus 29 Familien mit 87 männlichen und 92 weiblichen Seelen. In den Jahren 1875/76 sind aus dieser Kolonie 28 Personen nach Amerika ausgewandert. Beständig auswärts befinden sich 31 Familien.

Gegenwärtig zählt diese Kolonie 181 Hofstellen mit 1563 Seelen beiderlei Geschlechts, alle katholischer Konfession. Diese Kolonie bildet mit der Filiale Werchowje ein eigenes Kirchspiel. Die Pfarrkirche ist aus Holz im Jahre 1893 auf Gemeindekosten erbaut. Daselbst befindet sich eine Pfarrschule. Des Lesens und Schreibens sind kundig 206 männliche und 210 weibliche Personen. Handwerker befinden sich daselbst: 26 Schreiner und 36 Schuhmacher. Ferner sind dort 3 Manufakturwaren-Niederlagen, 2 Kramläden, 2 Mühlen und 1 Kabak.

Der Viehstand dieser Kolonie zählt 629 Pferde, 252 Ochsen, 598 Kühe, 994 Schafe, 490 Schweine und 226 Ziegen. Einige Wirte beschäftigen sich auch mit Bienenzucht. Abgaben und Grundzins zahlt die Gemeinde jährlich 5095 Rubel. Das Gemeindeland beträgt 5171 Deßjatinen, davon sind 3254 Deßjatinen Ackerland. Der Boden ist größtenteils Schwarzerde, nur an der Westgrenze sind einige hundert Deßjatinen Lehmboden. Der Untergrund ist überall roter Lehm. Die Oberfläche des Landes ist hügelig und gegen Nordwesten bergig. Land pachten diese Kolonisten von ihren Nachbarn für 4—7 Rubel die Deßjatine aufs Jahr. Ihre Produkte verkaufen diese Kolonisten in Nischnaja Banowka an der Wolga.


Die Kolonie Werchowje.

Die Kolonie Werchowje, im Volksmund Seewald genannt, wurde im Jahre 1766 von deutschen Auswanderern, unter denen sich auch einige Familien Franzosen befanden, angesiedelt. Die Kolonie liegt auf der rechten Seite des Flusses Karamisch 100 Werst von der Gouvernementsstadt Saratow, 95 Werst von der Kreisstadt Kamischin, 3 Werst von dem Wolostamt Oleschna und 37 Werst von der Eisenbahnstation Krasnijar. Nach der Volkszählung vom Jahre 1788 bestand diese Kolonie aus 38 Familien mit 126 männlichen und 103 weiblichen Seelen. Seit der Ansiedlung sind aus dieser Kolonie ausgewandert in den Jahren 1873/74 nach dem Gouvernement Samara 5 Personen, 1875—86 nach Amerika 25 Personen. Beständig auswärts wohnen 23 Familien.

Gegenwärtig zählt diese Kolonie 150 Hofstellen mit 1506 Seelen beiderlei Geschlechts, alle katholischer Konfession. Werchowje bildet eine Filiale zu der Pfarrei Pamjatnaja. Die Kirche ist aus Holz im Jahre 1838 erbaut. Ebenso befindet sich daselbst eine Gemeindeschule und eine russische Landesamtsschule. Des Lesens und Schreibens sind kundig 176 männliche und 220 weibliche Personen. Handwerker sind in dieser Kolonie: 83 Fuhrwerker, 16 Schuhmacher, 10 Weber. Zur Winterszeit beschäftigen sich 70 Personen mit der Fabrikation von Sarpinka. Ferner sind daselbst 7 Manufakturmagazine, 2 Kramläden, 2 Mühlen und 1 Kabak.

Der Viehstand dieser Kolonie beträgt 441 Pferde, 150 Ochsen, 362 Kühe, 719 Schafe, 560 Schweine und 178 Ziegen. Abgaben und Grundzins zahlt die Gemeinde 4521 Rubel. Das Gemeindeland beträgt 4094 Deßjatinen, davon sind 3000 Ackerland und 182 Wald. Eine Hälfte des Bodens ist Schwarzerde, die andere Hälfte Lehmboden mit Salpeter gemischt. Der Untergrund ist roter Lehm. Die Oberfläche des Landes ist meistens uneben und hügelig. Das Land ist auf die männlichen Seelen verteilt. Ihre Produkte verkaufen die Kolonisten in Nischnaja Banowka.


[1] Herodot, edit. Bähr IV, S. 21.

[2] Dar Gebiet der Donschen Kosaken.

[3] Außer dem Landvogt sind noch einige Beamte orthodoxe Christen.

[4] Die Schulkinder sind von diesen Zahlen stets ausgeschlossen.

[5] Beinahe in allen Städten des Kaukasus und des Turkestan befinden sich viele Deutsche von der Wolga, die aber meistens dem deutschen Namen keine Ehre machen.


Deutsche Erde, 1910, S. 184-192.