Geschichte der Wolgadeutschen

DEUTSCHE ERDE

ZEITSCHRIFT FÜR DEUTSCHKUNDE


Die deutsche Literatur zur allgemeinen Geschichte der Wolgakolonien.

Von
Adolf Lane, Dozent am Orientalischen Seminar in Berlin.

Die deutschen Wolgakolonisten genießen – wenn auch unverdientermaßen – außerhalb ihrer Heimat, aber auch in dieser, nicht immer einen guten Ruf. Das namentlich auch unter den deutschen Landwirten verbreitete ungünstige Urteil über sie darf aber durchaus nicht zu dem Rückschluß berechtigen, daß die Zustände an der Wolga in jeder Beziehung schlecht sind und in nationaler Hinsicht keine Hoffnung auf wesentliche Besserung übrig lassen. Mir wollen nur auf einige Tatsachen hinweisen, die erfreulich und für die Beurteilung der Wolgakolonisten gerade vom allgemeindeutschen Standpunkt aus sehr günstig sind.

Die Wolgadeutschen, speziell die sog. „Intelligenz“, hauptsächlich die Volksschullehrer, fangen im letzten Jahrzehnt an, ein besonderes Interesse für die deutsche Sprache und die deutsche Literatur an den Tag zu legen. Zwar spielt bei vielen das Bestreben mit, sich zu einem ortsüblichen Hauslehrerexamen für deutsche Sprache vorzubereiten und so die Möglichkeit einer Anstellung irgendwo in den russischen Städten an den Schulen zu erhalten (zur Flucht vom Lande zwingen sie meistens materielle Bedenken und Sorge um die im Dorfe oder vom Dorfe aus schwer zugängliche Ausbildung der heranwachsenden Kinder), aber es ist nach unseren persönlichen Wahrnehmungen nicht zu bezweifeln, daß diese Bestrebungen doch auch der Allgemeinheit zugute kommen und daß das deutsche Buch und das deutsche Wort (die hochdeutsche Sprache) ihren Einzug in diese vom Schicksal stiefmütterlichst behandelten deutschen Kolonien an der Wolga in einem früher wohl nicht bekannten Maße halten, da die Nachfrage nach deutschen Büchern, Bibliotheken und das Bedürfnis des Zusammenschlusses, z. B. auf dem Gebiet des Vereinswesens, gestiegen ist.

Die Regsamkeit des nationalen Geistes sieht man ferner an dem Eifer und Interesse, mit dem neuerdings an der Wolga für die Presse gearbeitet wird. Freilich sind es nur eine politische Zeitung und einige religiöse Blätter, die zu dieser Presse gehören und das große Gebiet mir nahezu dreiviertel Millionen deutscher Bauern bedienen, aber man muß die außerordentlichen Schwierigkeiten bedenken, mit denen das nur durch die größten Opfer existierende Zeitungswesen drüben zu kämpfen hat und die hauptsächlich in dem niedrigen Bildungsstand der deutschen Bauern und ihrem noch mangelnden oder sich nur schwer entwickelnden Sinne für die Bedeutung einer guten deutschen Presse am Orte liegen. Der Schreiber dieser Zeilen war selbst Zeuge davon gewesen, mit welcher Mühe und erst nach teilweiser Vereinigung der ganz zersplitterten und zum Teil einander bekämpfenden Elemente (wie Pastoren und Lehrer) es möglich geworden ist, eine deutsche Zeitung auf Grundlage eines sich entschieden zum Deutschtum bekennenden und neutralen fortschriftlich-politischen Programms zu gründen[1]. Der jugendliche Drang nach Erneuerung des deutschen Lebens an der Wolga macht sich jedem aufmerksamen und unparteiischen Beobachter bemerkbar und erweckt die besten Hoffnungen für die Zukunft.

Auch auf dem Gebiet des Schul- und Vereinswesens ist es an der Wolga in der letzten Zeit rege geworden, was hier weiter verzeichnet werden soll. Das sieht man nicht nur daraus, daß die Schulfragen neben den Fragen der Umgestaltung der ländlichen Einrichtungen (Übergang vom gemeinschaftlichen zum Individualbesitz) den Gegenstand der erbittertsten Diskussion bildeten und bilden, sondern auch an dem Bildungseifer, der seinen Ausdruck sowohl in der Gründung einer Reihe von Privatschulen als auch in den bereits unternommenen Schritten zur Hebung des gesamten Schulwesens am Orte findet. Der in Saratow bestehende „Deutsche Verein“ entwickelt eine rege, erfolgversprechende Tätigkeit.

Ein ernstes und hocherfreuliches Zeichen ist es endlich, daß bei den Wolgadeutschen auch das Interesse für ihre eigene Geschichte erwacht ist. Freilich sind auch hier noch kleine Anfänge da, aber es ist an sich bedeutungsvoll, daß sowohl die Katholiken, die etwa ein Drittel der örtlichen deutschen Bevölkerung ausmachen, als auch die Protestanten an die Erforschung der Vergangenheit ihrer Kolonien herangetreten sind. Nur ist es schade, daß die einzelnen Forscher isoliert und ohne etwa einen gemeinsam ausgestellten Plan (mit Verteilung der Aufgaben) arbeiten. Das wäre nach unseren persönlichen Eindrücken und bei Kenntnis der dortigen Verhältnisse wohl der beste Weg. Wir hatten auch Gelegenheit, Vorschläge diesbezüglich schon 1906 in Saratow zu machen, die Zeit war aber für die Ausführung nicht günstig. Jetzt bietet sich viel eher die Möglichkeit dazu, denn die Verhältnisse im Lande sind ruhiger geworden und nehmen den einzelnen Menschen nicht so in Anspruch wie früher. Von den Forschern, die ein ganz besonders hervorragendes Interesse der Geschichte der Wolgakolonien zuwenden, möchten wir hier die Pastoren Joh. Erbes in der Kolonie Kukkus (Wolskaja), Gouvernement Samara, Joh. Kufeld, jetzt in Radomysl (Kiew), Eduard Seib in Messer (Ust-Solicha), Gouv. Saratow, und Andreas Gorne in Norka, Gouv. Saratow, nennen, wobei der letztere sich speziell für Land, Arbeiter- und Auswanderungsfragen interessiert.

Eine allgemeine und eingehende Geschichte der Wolgakolonien ist unseres Wissens noch nirgends versucht worden. Und eine solche wird wohl auch so lange noch auf sich warten lassen, bis die Einzelforschung ein Gebiet des öffentlichen und privaten Lebens an der Wolga nach dem anderen der wissenschaftlichen Bearbeitung erschließt. Zu diesen Einzeluntersuchungen gehört auch die Quellenkunde zur Geschichte der Wolgaansiedlungen und der deutschen Kolonien in Rußland überhaupt. Einen Beitrag nach dieser Richtung hin gedenkt der Verfasser in einer hoffentlich bald erscheinenden Veröffentlichung zu leisten, woraus hier ein gekürzter Auszug über die in deutscher Sprache erschienene Literatur folgt (es werden auch einige Werke in französischer Sprache angegeben), abgesehen von den zahlreichen Aufsätzen usw. in der „Deutschen Erde“.

Unser Verzeichnis, das keineswegs auf Vollständigkeit Anspruch erhebt, ist nur der erste Versuch einer systematischen Zusammenstellung der spärlichen, undifferenzierten und zum Teil schwer auffindbaren einschlägigen Literatur. Möge es allen, die sich für die Geschichte der Wolgakolonien und Schicksale der Deutschen in Rußland interessieren, ein willkommener Beitrag sein.

I. Allgemeine und Hilfsquellen, die die eigentümliche Stellung der Wolgakolonien im russischen Staate und unter den übrigen deutschen Kolonien Rußlands beleuchten. 1. Über die Wolgakolonien: Prof. Dr. Joh. Friedr. Erdmann, Beiträge zur Kenntnis des Innern von Rußland, II. Teil, erste Hälfte, Leipzig 1825. Erdmann wurde von der Universität in Kasan beauftragt, die von ihr abhängigen Anstalten zu revidieren, über ihren Zustand Bericht zu erstatten und die etwa nötigen Vorschläge zur Verbesserung der bestehenden Einrichtungen zu machen. Als Ergebnis seiner Reise finden wir hier seine „Vorstellung an die Schulkommität in Kasan zur Verbesserung der Colonieschulen“ vom 10. Dezember 1815 und einen allgemeinen Aufsatz „Nachrichten vom Zustande der Colonien im Saratowschen Gouvernement“. Dem Bande liegen zwei Karten der Wolgakolonien bei. — A. Klaus, Unsere Kolonien. Studien und Materialien zur Geschichte und Statistik der ausländischen Kolonisation in Rußland. Übersetzt aus dem Russischen von J. Töws, Verlag der deutschen „Odessaer Zeitung“, Odessa 1887. Diese deutsche Übersetzung des russischen Buches ist leider nicht vollständig. Ein großes und interessantes Kapitel über die „Geistlichkeit und die Schule“ ist – wohl aus Rücksicht auf die erstere – gänzlich weggelassen. „Unsere Kolonien“ ist die einzige Arbeit (neben dem kürzlich erschienenen Werke von Pissarewski), die zum erstenmal eine eingehendere wissenschaftliche Bearbeitung des Materials über die deutschen Kolonien im inneren Rußland versucht. Freilich ist nicht alles von gleichem Werte und selbständiger Bedeutung. Mangelhaft vom wissenschaftlichen Standpunkt aus ist besonders das Kapitel über Sarepta (vgl. unten). Klaus gibt einen allgemeinen Überblick über die Kolonisation Rußlands durch Ausländer, spricht über die Kolonien Raditschew (Gouv. Tschernigow), Sarepta, über die Mennoniten, über die Erbfolgefragen, das Versicherungs- und Feuerwehrwesen, die Kreisbanken, die Geistlichkeit und die Schule u. a. und bietet ganz wertvolle statistische und andere Materialien. — Dr. R. Hermann, Deutsche Kolonisten an der Wolga (Bilder aus Rußland, Nr. 4), Beilage zur Allgemeinen Zeitung München 1901, Nr. 105. — Pfarrer Liz. A. Faure, Das Deutschtum an der Wolga und in Südrußland. München, Verlag des Alldeutschen Verbandes (Lehmann). — Derselbe, Deutsches Bauernleben im Zarenreich. (Deutsche Monatsschrift, herausg. von A. Lohmeyer, Juni- u. Juliheft 1907.) — Pastor Joh. Kufeld, Die deutschen Kolonien an der Wolga. („Der Auswanderer“, Zeitschrift des Evang. Hauptvereins in Witzenhausen, Jg. 1906, Heft 3 u. 4.) — Handbuch des Deutschtums im Ausland, herausg. vom Deutschen Schulverein.

2. Reisen: Peter Simon Pallas, Reisen durch verschiedene Provinzen des Russischen Reiches. Teil I, zweite Auflage St. Petersburg 1801; Teil II u. III, erste Auflage 1773 u. 1776. — Derselbe, Reisen durch Rußland. Zwei Teile. Frankfurt 1776. — Samuel Georg Gmelin, Reise durch Rußland. Teil II: Von Anfang August 1769 bis zum 5. Juli 1770. St. Petersburg 1783. — Iwan Lepechin, Tagebuch der Reise durch verschiedene Provinzen des Russischen Reiches im Jahre 1771. Aus dem Russischen von T. H. Hase. Drei Bände mit 51 Kupfertafeln. Altenburg 1774–83. — Joh. Gottl. Georgi, Bemerkungen einer Reise im Russischen Reiche im Jahre 1772. I. Bd. St. Petersburg 1775. — Fr. Goebel, Reise in die Steppen des südlichen Rußlands usw., Teil I u. II, Dorpat 1838. — A. T. Bertoldy, Reisebriefe aus Rußland, Finnland, Deutschland und Italien. St. Petersburg, Selbstverlag.

3. Über Wolhynien finden sich Angaben in den unten angegebenen kolonistischen Zeitungen, außerdem in den Volkskalendern für Wolhynien.

4. Dasselbe wäre über Südrußland zu sagen. Außerdem dienen zur Orientierung: Dr. Hamm, Südöstliche Steppen und Städte im europäischen Rußland, Frankfurt 1862. — Dr. Friedr. Bienemann, Geschichte der evang.-lutherischen Gemeinde zu Odessa. Odessa 1890. — Jakob Prinz, Die Kolonien der Brüdergemeinde. Moskau 1898. — Derselbe, Eine Brudergestalt. Moskau 1898. — J. Stach, Die deutschen Kolonien in Südrußland. Taurien 1905, Verlag von Schaad in Prischib. — Über die katholischen Kolonien siehe Konrad Keller, Die deutschen Kolonien in Südrußland. Bd. I, Odessa 1905. — Wilhelm Isert, Statistisch-Historische Beschreibung der Kolonien im schwedischen Gebiet anläßlich ihres 100jährigen Bestehens. Odessa, Nitzsche. — Missionar Wilhelm Heine, Ein Lebensbild aus Briefen und Berichten, zusammengestellt von seinem Sohne. Prischib 1909.

5. Kaukasus. Außer dem Werke v. Haxthausens (s. unten) kommen hier in Betracht: Schrenk, Geschichte der deutschen Kolonien in Transkaukasien. Tiflis 1869. — T. v. Hahn, Bilder aus dem Kaukasus. Neue Studien zur Kenntnis Kaukasiens. Leipzig 1900, Duncker u. Humblot. Siehe auch frühere Werke Hahns. — Dr. Hugo Grothe, Zur Geschichte der schwäbischen Ansiedlungen in Transkaukasien. (Beil. zur Allgem. Zeitung München 1901, Nr. 152 u. 160.) — Derselbe, Deutsche Besiedlungsarbeit in Transkaukasien. (Asien 1902, Dezember, Nr. 3. Berlin, Paetel.) — Derselbe, Die Bagdadbahn und das schwäbische Bauernelement in Transkaukasien und Palästina. Gedanken zur Kolonisation Mesopotamiens. München 1902, Lehmann. — Paul Hoffmann, Die deutschen Kolonien in Transkaukasien. Berlin, 1905, D. Reimer. — Alfred Borchardt, Aus dem Kaukasus. Teil I: Ziskaukasien, 1906; Teil II: Transkaukasien, 1907. (Berichte über Land- u. Forstwirtschaft im Ausland, mitget. vom Auswärtigen Amt.)

6. St. Petersburger Gouvernement. P. v. Köppen, Über die Deutschen im St. Petersburger Gouvernement. St. Petersburg 1850. — Außerdem siehe die deutsche „St. Petersburger Zeitung“.

7. Polen. Pfarrer Liz. A. Faure, Die Deutschen in Russisch-Polen. (Deutsche Erde 1907, Heft 2.) — Busch, Beiträge zur Geschichte und Statistik des Kirchen- und Schulwesens der Evang.-Augsburg. Gemeinden im Königreich Polen. St. Petersburg u. Leipzig 1867. — Rohde, Die evangelischen Deutschen in Russisch-Polen. Lissa i. P. 1906.

8. Einwanderung der Franzosen. Léonce Pingaud, Les Français en Russie et les Russes en France. Paris 1886. — Paul d'Estrée, Meusnieur de Précourt. (Nouvelle Revue rétrospective 1892.) — Derselbe, Une colonie franco-russe au XVIIIe siècle. (Revue des Revues, 2. Ser., 1896, Oktober, Nr. 19.)

9. Über verschiedene allgemeine Fragen. Die Evangelische Bibelgesellschaft in Rußland 1831–81. St. Petersburg 1881. — Sammlung der Gesetze und Verordnungen der Staatsregierung, bezüglich der Organisation der Lebensverhältnisse der auf Kronsländereien angesiedelten Landbesitzer (bisher Kolonisten). Gesammelt und übersetzt von A. Rasin. St. Petersburg 1871. — Das russische Gesetz vom 1. Januar 1864 (über die Gouvernements- und Kreislandschafts-Institutionen). Mit Ergänzungen und der Kodifikation vom Jahre 1876 sowie einem die Motive betreffenden Anhang. In deutscher Übersetzung. Mitau 1878. — Philippe Henry Dilthey, Essay géographique sur la Russie, imprimé à l'Université impériale de Moscou, 1771: Des colonies établies en Russie selon le manifeste de sa majesté impériale Catherine II de l'an 1763. — H. Wimmer, Die Deutschen in Rußland. Leipzig 1847. — R. d'Eckert, Tableau géographique et statistique de l'Empire de Russie d'après les documents le plus récents et notamment ceux de l'année 1859 dressé par R. d'Eckert, membre effectif de la société géographique impériale de Russie. — Le Roy-Beaulieu, Das Reich des Zaren und die Russen. Deutsch von L. Pezold. Drei Bände, Sondershausen 1887–90, Eupel.

II. Spezielle Literatur. l. Die Zeit der ersten Einwanderung und Einrichtung. A. Ermanns Archiv für wissenschaftliche Kunde von Rußland XIII, Berlin 1854, enthält den Abdruck eines Artikels aus dem „Unterhaltungsblatt“ (s. unten): W. Braun, Geschichtliche Darstellung des Zustandes der Colonisten an der Wolga und ihrer Landwirtschaft und jetziger Zustand bei den Colonisten an der Wolga. — Johann Baptista Cataneo, Eine Reise durch Deutschland und Rußland, seinen Freunden beschrieben von J. B. Cataneo aus Bünden, gegenwärtigen Pfarrer einer reformierten deutschen Colonie zu Norka in der Saratoffschen Statthalterschaft an der Wolga, in der russischen Tartarei in Asien. Chur l787, Otto. Diese Schilderung gewinnt an Interesse bei dem Vergleich mit dein folgenden Buche von Züge. Das letztere erzählt uns von den Erlebnissen eines Kolonisten, das erstere von denen eines Pastors während ihrer Reise an die Wolga und nach Ankunft am Orte. Christian Gottlob Züge, Der russische Kolonist oder Christian Gottlob Züges Leben in Rußland. Nebst einer Schilderung der Sitten und Gebräuche der Russen, vornehmlich in den asiatischen Provinzen. Zeitz u. Naumburg 1802. Eine zweite Auflage erschien 1814 unter dem Titel „Christian Gottlob Züges Leben in Rußland“. Züges Arbeit bietet interessantes Material zur Beurteilung der qualitativen Zusammensetzung der ersten Kolonistenzüge und Anhaltspunkte zur Herstellung eines vollständigeren Bildes der ersten Einrichtung der Einwanderer in Saratow und den Kolonien. — Baron de Tott, Mémoires du Baron de Tott sur les Turcs et les Tartares. Zweiter Teil, Seite 97–99, Amsterdam 1784. — M. Beheim-Schwarzbach, Hohenzollernsche Colonisationen, Leipzig 1874. — Dr. H. Wäschke, Russische Kolonistenzüge in Anhalt. (Mitteilungen des Vereins f. Anhalt. Gesch. u. Altertumskunde Dessau IX, 1902, Heft 4.)

2. Kirchen und Schulwesen. E. H. Busch, Materialien zur Geschichte und Statistik des Kirchen und Schulwesens der evang.-lutherischen Gemeinden in Rußland. Mit 2 Karten. St. Petersburg 1862. — Derselbe, Ergänzungen der Materialien usw. Zwei Bände, St. Petersburg u. Leipzig 1867. — D. C. G. Sonntag, Geschichte und Gesichtspunkt der allgemeinen liturgischen Verordnung für die Lutheraner im Russischen Reiche. Riga 1805, Hartmann. — Sahlfeldt, Kirchenordnung für die Protestanten im Russischen Reiche. Entworfen und mit Genehmigung der Kaiserl. Gesetzeskommission herausgegeben von Georg Friedrich Sahlfeldt. Mitau 1808. — Carl Limmer, Meine Verfolgung in Rußland. Eine actenmäßige Darstellung der Jesuitischen Umtriebe des Dr. Ignatius Feßler und seiner Verbündeten in jenen Gegenden von Carl Limmer, vormals Consistorialrath und Prediger zu Saratow. Leipzig 1823, Reclam. Als Antwort darauf erschienen: I. Feßler, Geschichte der Entlassung des gewesenen Pastors in Saratow, Carl Limmer, aus den Original-Acten; und wahrhafte Darstellung seiner Verwirrungen; ein Gegenstück zu Limmers Libell, betitelt „Meine Verfolgung in Rußland“ von Ignatius Feßler, Dr. der Theologie, Superintendenten und geistlichen Vorsitzer des Kaiserl. Evangelischen Provinzial-Consistoriums in Saratow. Dorpat u. Riga 1823. — Paul Pesarovius, Ein Wort der Wahrheit von dem Vice-Präsidenten des Evangelischen Reichs-General-Consistoriums in Rußland, wie auch Mitgliede einer Kaiserlichen Invaliden-Versorgungs-Comität, Staatsrath und Ritter Paul Pesarovius über die Schmähschrift: Meine Verfolgung usw. von C. Limmer usw., das heißt: welcher Limmer nie verfolgt worden, nicht vormals, sondern niemals Consistorial-Rath gewesen. Leipzig 1823. — Limmer verteidigte sich in einem zweiten Buche unter dem Titel: Das von Pomian Pesarovius gegen die Geschichte meiner Verfolgung in Rußland gesprochene Wort der Wahrheit in seiner Unwahrheit dargestellt von Carl Limmer, vormals Pastor in Saratow. Ronneburg 1824. — Joachim Christian Grot, Bemerkungen über die Religionsfreyheit der Ausländer im Russischen Reiche usw. Drei Bände, St. Petersburg 1797/98. — Die bekannten Werke von Hermann Dalton führen wir hier nicht einzeln an. — Joh. Erbes, Deutsche Volksschule in unseren Wolgakolonien. Saratow 1906, Verlag der Deutschen Volkszeitung.

3. Die wirtschaftlichen Verhältnisse. August Freiherr v. Haxthausen, Studien über die inneren Zustände, das Volksleben und insbesondere die ländlichen Einrichtungen Rußlands. Teil I–II, Hannover 1847, Hahn; Teil III, Berlin 1852, Behr. — Derselbe, Die ländliche Verfassung Rußlands. Leipzig 1866. — Friedrich Matthäi, Die deutschen Ansiedlungen in Rußland, ihre Geschichte und ihre volkswirtschaftliche Bedeutung für die Vergangenheit und Zukunft. Leipzig 1866, Verlag Fries. — Joh. v. Keußler, Das Grundbesitzrecht in den deutschen Kolonien Südrußlands. (Russische Revue XXIII, 1883.) — v. Schultze-Gaevernitz, Volkswirtschaftliche Studien aus Rußland. Leipzig 1899, Duncker u. Humblot. — Alfred Borchardt, Bäuerliche Verhältnisse im südlichen und zentralen Rußland. 1902. — Derselbe, Der Weizenbau und seine Rentabilität im südwestlichen und zentralen Rußland. 1902. — Derselbe, Aus dem östlichen Hinterland der Wolga, l904. — Derselbe, Zur russischen Agrarpolitik 1909.

4. Sarepta. A. Glitsch, Geschichte der Brüdergemeinde Sarepta im östlichen Rußland während ihres hundertjährigen Bestehens. Nach archivalischen Quellen. Nisky 1865. — Klaus behandelt im obenerwähnten Buche das gleiche Thema, schöpft aber hauptsächlich aus der Arbeit Glitschs. — H. Schultz-Tornau, Deutsche an der Wolga. Ein dreitägiger Besuch Schultz-Tornaus in Sarepta (Beitr. für Belehrung, Beil. der Leipz. N. Nachr. 1901, 16. Dez., Nr. 50.)

5. Katholische Kolonien. Außer den Volkskalendern: Al. Zottmann, Franz X. v. Zottmann, Bischof der Diözese Tiraspol. Züge katholischen und deutschen Lebens aus Rußland. München 1904, Verlag Roth.

6. Mennoniten. A. Ermanns Archiv für wissenschaftliche Kunde von Rußland in Berlin XII, 1852, bringt einen Auszug aus dem „Unterhaltungsblatt“ (s. u.): Ph. Wiebe, Ackerbau Wirtschaft bei den Mennoniten im südlichen Rußland. — Freiherr v. Reiswitz u. Prof. Wodzeck, Beiträge zur Kenntnis der Mennoniten-Gemeinden in Europa und Amerika, statistischen, historischen und religiösen Inhalts. Mit dem Bildnis des Menno Simonis und einer Karte „Der Fluß Moloschna und die daran liegenden Colonien im Jahre 1806“. Berlin 1821. — Weiteres siehe in den „Mennonitischen Blättern“, Hamburg u. Altona. — Klaus (s. o.) widmet den Mennoniten ein Kapitel von 128 Seiten und stellt u. a. auch Vergleiche zwischen den Wolga- und den Mennonitenkolonien an.

7. Auswanderungsbewegung. Die Zeitschrift des Evangelischen Hauptvereins für deutsche Ansiedler und Auswanderer in Witzenhausen a. W., „Der Auswanderer“, bringt Nachrichten und Berichte auch über die Auswanderung aus den Wolgakolonien und ihre Ziele. — „Die Heimkehr“, Zeitschrift des Fürsorgevereins für deutsche Rückwanderer (Berlin W 9, Schellingstr. 11), zur Verbreitung unter den letzteren herausgegeben. — Oskar Canstatt, Die deutsche Auswanderung, Auswandererfürsorge und Auswandererziele. Berlin-Schöneberg 1904. —  Eduard Seib, Was sollen wir Wolgadeutschen tun? Saratow 1907. — Deutsche Rückwanderer aus Rußland. Ein Leitfaden für die Arbeitgeber. September 1908, im Selbstverlag der Rückwanderer stelle (jetzt „Fürsorgeverein für deutsche Rückwanderer“) als Manuskript gedruckt. — Ferner noch Dr. Martin Belgard, Parzellierung und innere Kolonisation in sechs östlichen Provinzen Preußens. Leipzig 1907. — Adolf Lane, Deutsche Bauernkolonien in Rußland. (Ein Beitrag zur Auswanderungsbewegung in den dortigen Kolonien.) In der „Zeitschrift für Kolonialpolitik, -recht und –wirtschuft“ vom Februar 1910 (Heft 2).

8. Neuere Darstellungen über die Geschichte der Wolgakolonien. Gottlieb Bauer, Geschichte der deutschen Ansiedler an der Wolga seit ihrer Einwanderung nach Rußland bis zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht (1766–1874). Nach geschichtlichen Quellen und mündlichen Überlieferungen. Saratow 1908. Die Darstellung stützt sich wesentlich auf Angaben des Buches von Klaus (s. o.), der Saratowschen Zeitung vom Jahre 1866/67 und andere Quellen und zum Teil auf persönliche Beobachtungen. Im Buche wird auch von den Arbeiten des früheren Professors an der Heidelberger Universität Ascher gesprochen. Er soll die Kolonien, nach längerem Aufenthalt an der Wolga zwecks Studien der dortigen Verhältnisse, im Jahre 1875 aus unbekannten Gründen verlassen haben. Wir haben uns bemüht, festzustellen, um was für einen Forscher es sich hier handelt und welche Schriften er hinterlassen hat. Vorläufig ist es uns nur gelungen, festzustellen, daß es der Prof. Dr. G. M. Asher, Sohn des Berliner Verlagsbuchhändlers Asher, war und daß er ein Manuskript über die Wolgakolonien nachgelassen haben muß. Über die Wolgakolonien, in denen er 1873–75 verweilte, scheint Asher nichts veröffentlicht zu haben. — Dr. v. Stojentin, Ein deutscher Stamm auf fremder Erde (Wolgakolonien). (Landwirtschaftl. Wochenschrift für Pommern 1908, Heft 3 u. 4.)

9. Zeitschriften und Volkskalender. Aus der umfangreichen, zum Teil sehr interessanten Literatur, die in der periodischen Presse verstreut ist, mögen hier auch die Angaben über die Zeitungen, Zeitschriften und Volkskalender in allgemeiner Form folgen. Aus der Zeit der ersten Einwanderung seien hier genannt: Thornische wöchentliche Nachrichten und Anzeigen, siehe 1763, 27. Sept. Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten, siehe 1763, 15. Febr., Nr. 26 (Das erste Manifest der Kaiserin Katharina II.). Altonaischer Mercurius, 1764, Nr. 59. Gazette historique et politique de Copenhague, 1766, Nr. 6. Elbingische Anzeigen, IX. Stück, Donnerstag d. 31. Jan. 1788. — Verschiedene Jahrgänge folgender Zeitungen und Zeitschriften enthalten Darstellung der einzelnen Kolonien, der Sitten und Gebräuche, Angaben über Bevölkerung, Kirche, Recht, Wirtschaft usw.: Die deutsche „St. Petersburger Zeitung“ (Jahrgänge vom Anfang der Einwanderung bis jetzt); „St. Petersburger evangel. Sonntagsblatt“, herausg. von Bertoldy (begründet von P. Seeberg); von der baltischen Presse besonders die „Düna-Zeitung“; von der Kolonistenpresse: die „Odessaer Zeitung“; die älteren „Unierhaltungsblatt für deutsche Ansiedler im südlichen Rußland“ und „Die Saratowsche deutsche Zeitung“ (ein Jahrgang 1866/67); „Deutsche Zeitung“, Saratow 1906, ein Jahrgang; „Deutsche Volkszeitung“ in Saratow, besteht seit 1906; „Unsere Zeit“, einige Nummern 1907, Kamyschin; „Der Friedensbote“, herausg. von P. Günther in Talofka, Gouv. Saratow ; „Der christliche Volksbote“, herausg. von P. Meyer in Nikolajew; „Der Botschafter“ in Jekaterinoslaw, seit 1906; „Deutsches Leben“ in Odessa (1907 eingegangen, zwei Jahrgänge); „Klemens“, herausg. von der Klemensgesellschaft in Saratow, 10 Jahrgänge; die „Kaukasische Post“ in Tiflis. In Deutschland bringen die „Deutsche Erde“ und die nationalen Zeitungen, wie bekannt, Beiträge, die ebenfalls von Interesse und Wert sind. Von den Volkskalendern wären zu erwähnen: die von Pastor Günther in Talofka hei ausgegebenen, außerdem „Der Wolgabote“ im Verlag von A. Winkler in Saratow; der „Volksfreund“, Buchdruckerei Energie in Saratow; „Hausfreund“ in Odessa, Verlag Eduard Schmidt; „Neuer Haus- und Landwirtschaftskalender für deutsche Ansiedler im südlichen Rußland“ in Odessa; „Hausfreund“ in Warschau, Buchhdlg. W. Mietke; „Molotschnaer Kalender“ für die deutschen Ansiedler in Südrußland; „Christlicher Familienkalender“ von A. Kröker in Spat, Taurien; „Deutscher Volkskalender“, herausg. von der Klemensgesellschaft in Odessa.

Auf ein besonderes Interesse dürften die noch vorhandenen handschriftlichen Materialien rechnen, von deren Besprechung au dieser Stelle wir vorläufig absehen.

Die in russischer Sprache vorhandene Literatur zur Frage enthält namentlich statistische Angaben, die bis in die Gegenwart hineinreichen und sehr wertvoll sind.


1 Vergleiche zwei Leitartikel des Verfassers in den Probenummern der „Deutschen Zeitung“ 1906 und der „Deutschen Volkszeitung“ desselben Jahres (beide in Saratow).


Deutsche Erde, 1910, S. 18-21, 53-55.