Geschichte der Wolgadeutschen

Zehn Jahre Räte-Macht. ASRR der Wolga-Deutschen. 1917-1927.

Zehn Jahre Räte-Macht. Autonome Sozial. Räte-Republik der Wolga-Deutschen. Ein Jahrzehnt freier Arbeit in Wirtschaft und Kultur, in Stadt und Dorf. 1917-1927. Diagramme. / Десять лет Советской власти. Автономная Социалистическая Советская Республика Немцев Поволжья. Десятилетие свободного труда в области хозяйства и культуры, в городе и в деревне. 1917-1927 гг. Альбом диаграмм. – Pokrowsk: Hauptlitverwaltung der ASRR d. W.-D., 1927.

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Дата размещения: 29.04.2021


Десять лет Советской власти. АССР Немцев Поволжья. 1917-1927 гг.


Einleitung.

Die trockenen Ziffern dieses Buches entrollen vor uns das Bild einer fünfjährigen Aufbauarbeit und sprechen für den, der über sie nachdenkt, eine feurige revolutionäre Sprache, wie sie die stolzesten Worte nicht sprechen könnten. Denn jede Zifferngruppe erzählt von der mühevollen, aber erfolgreichen Arbeit der durch die Oktoberrevolution befreiten Arbeiter und Bauern der Republik der Wolgadeutschen.

Was die Arbeiter und Bauern unserer Republik in engem Verein mit denen des ganzen Rätebundes in den ersten Jahren der Sowjetmacht, an den Fronten des Bürgerkrieges geleistet haben, kann in Ziffern- und Bildform nicht wiedergegeben werden. Ohne Zweifel werden in diesen Tagen der ersten Jahrzehntfeier überall Erinnerungen gerade an diese Heldenzeit der Revolution ausgetauscht werden, und die junge Generation wird von den Leiden und Taten dieser ersten Zeit erfahren.

Erst nach dem Hungerjahr 1921 beginnt bei uns die ständige und systematische Aufbauarbeit. Landwirtschaft, Industrie und Kultur, werden wieder hergestellt, und nicht nur das — gehen allmählich in neue sozialistische Bahnen über.

Unsere Landwirtschaft war vor der Revolution fast ausschließlich eine Wirtschaft des Getreidebaues. Hackfrüchte mit Grassaat nahmen nur 4 Proz. der Aussaatfläche ein, dagegen der Weizen 68 Proz. Das Getreide wurde in unverarbeitetem Zustand ausgeführt. Die Produkte der Viehzucht wurden fast ganz in der eigenen Wirtschaft verbraucht. Den regelmäßig sich wiederholenden Mißernten war die Wirtschaft schutzlos preisgegeben. Das Mißerntejahr l921 verkleinerte die Saatfläche um zwei Drittel, den Bestand an Arbeitsvieh um drei Viertel. 1926 hatte unsere Aussaatfläche erst 68 Proz., unser Viehstand 96 Proz., unser Arbeitsvieh 43 Proz. der Vorkriegszeit erreicht. Der Wert der landwirtschaftlichen Produktion unserer Republik hat 1926 erst 67 Proz. oder etwa zwei Drittel der Vorkriegszeit erreicht.

Nach der Mißernte also hob sich unsere Landwirtschaft rasch, hat aber doch nach Vieh, Aussaat und Leistungen den Vorkriegsstand noch nicht erreicht. Daneben geht eine Umstellung der Wirtschaft vor sich. Die Hackfrüchte nehmen 1926 schon 11 Proz. der Aussaatfläche ein. Der Traktor hält seinen Einzug, und die 600 Traktoren, die in unserer Republik arbeiten, beginnen den Mangel an Arbeitsvieh zu lindern. Die Landeinrichtung bringt den Bauern dem Lande näher, zerlegt nach und nach die großen Dörfer in kleine Ansiedlungen und sichert dem an Arbeitsvieh Schwachen solches Land, das er bearbeiten kann. Der Stand der Kühe hat den Vorkriegsstand bereits überholt und die Milchwirtschaft gewinnt entscheidende Bedeutung. Eine Reihe von agronomischen und meliorativen Maßnahmen geben der Wirtschaft mehr Festigkeit gegen die Dürre. All das zusammengenommen, gibt die ersten Ansätze einer neuen, produktiveren Wirtschaft, die sich von Anfang an auf Grund der Kooperierung, der kollektiven Arbeit, also auf sozialistischen Bahnen entwickelt.

Die Leistungen unserer örtlichen Industrie haben 1926 — 73 Proz. des Vorkriegsstandes erreicht. Bloß unsere Sägewerke und unsere Lederindustrie stehen noch weiter zurück, und auf sie ist die Hauptaufmerksamkeit unserer Regierung jetzt gerichtet. Die Machorkaindustrie ist in unserer Republik erst nach der Revolution neu entstanden. Im ganzen sind unsere Betriebe bereits zu 83 Proz. belastet. Während unsere Landwirtschaft 67 Proz., unsere Industrie 74 Proz. der Vorkriegszeit erreicht hat, sind dieselben Ziffern für die ganze RSFSR 90 Prozent und 106 Prozent. Viel Wirtschaftsarbeit steht uns also noch bevor, um mit dem gesamten Rätebund Schritt zu halten.

Das Wachsen unserer Landwirtschaft und Industrie war begleitet und bedingt von einem ununterbrochenen Wachsen der Kultur in unserer Republik. Die neue Schule, die Sowjetschule, stellt an Lehrer, Schüler und Eltern ganz andere Forderungen als die alte Schulmeisterschule. Wenn auch noch ein sehr großer Prozentsatz Kinder keine Schulbildung erhält, so arbeiten wir doch jetzt fest daran, die allgemeine Schulpflicht zu verwirklichen, und haben bereits mit dem Bau neuer Schulgebäude in unseren Dörfern begonnen. Ein Netz von Lesehallen hat unsere Republik bedeckt, zusehends hebt sich der Kulturstand unserer Bevölkerung. Der größte Teil unseres örtlichen Budgets wird für die Zwecke der Volksbildung und Gesundheitspflege verausgabt.

Und diese gewaltige Aufbauarbeit aus allen Gebieten der Wirtschaft und Kultur ging und geht vor sich auf der Grundlage der sozialen und nationalen Freiheit. Die arbeitenden Massen schmieden sich endlich ihr Schicksal selber. Kein Gott, kein Kaiser, kein Tribun hilft ihnen. Mit eigener Hand bauen sie ihr künftiges Leben. Überall in den Räten, den Kooperativen, den gesellschaftlichen Organisationen sind es die Arbeiter und Bauern und ihre gewühlten Vertreter, die das gesamte Leben unseres Staates und unsere Wirtschaft leiten. Und immer sind es die Armen, um die die Sowjetmacht am meisten bekümmert ist. Für sie wurde ein besonderer Armenfonds gegründet, bei der Landeinrichtung und allen Maßnahmen wird zuerst auf sie Bedacht genommen. Die Arbeiter und Batraken genießen den Schutz der Arbeitsgesetze, genießen eine weitgehende Sozialversicherung und ihr Lohn wächst langsam aber ständig von Jahr zu Jahr. Die Kinder der Armen und Arbeiter werden in die Schulen in erster Linie aufgenommen. Die Arbeiter und armen Bauern, sowie die Mittelbauern werden womöglich an die leitenden Stellen in unserem Staate befördert. Es ist nicht in Worten, es ist in der Tat ihr Staat, der Staat der Arbeiter und Bauern. Die Wolgadeutschen waren unter der Zarenherrschaft eine unterdrückte Minderheit, unter der Arbeiter- und Bauernmacht haben sie ihre Autonomie erhalten, können alle Angelegenheiten in ihrer Muttersprache führen und sich nach ihrer Art ihre Wirtschaft und Kultur erbauen. Unwiderleglich hat unser Wirtschafts- und Kulturaufbau bewiesen, daß die proletarische Diktatur, daß der Rätestaat mit seinem planmäßigen Eingreifen in die wirtschaftliche Entwicklung und seiner Entfeßlung der schöpferischen Kräfte der Arbeitenden Entwicklungsmöglichkeiten schafft, die alles in kapitalistischen Staaten Denkbare weit hinter sich lassen.

Zehn Jahre Rätemacht, — zehn Jahre des Aufstieges aus Not, Krieg und Hunger zu frohem Schaffen freier Bürger.

Zehn Jahre Rätemacht, — zehn Jahre ununterbrochenen Wachsens unserer Kraft und Siegesgewißheit.

Die Arbeiter und Bauern der Republik der Wolgadeutschen werden alles daran setzen, um auf dem beschrittenen Wege rüstiger noch als bisher vorwärts zu gehen. Schneller noch als bisher muß Landwirtschaft und Industrie. Kultur und Wohlstand der arbeitenden Bevölkerung wachsen. Die Arbeiter und Bauern der Republik der Wolgadeutschen werden sich stets wie ein Mann erheben, wenn es gilt, die teuer erkämpfte Freiheit, den friedlichen Aufbau, das große Vaterland der Werktätigen, unseren Rätebund zu verteidigen!

Es lebe das folgende Jahrzehnt der Rätemacht!

Auf zu neuer Arbeit, zu neuen Siegen!