Geschichte der Wolgadeutschen

PAUL RAU

DIE HÜGELGRÄBER RÖMISCHER ZEIT
AN DER UNTEREN WOLGA


Rau, P.: Die Hügelgräber Römischer Zeit an der unteren Wolga. (Ergebnisse der Gräberforschung in der Wolgadeutschen Republik) [Рау П. Курганные погребения римского времени в Нижнем Поволжье (Результаты исследования курганов в Республике Немцев Поволжья)] / Mitteilungen des Zentralmuseums der Aut. Soz. Räte-Republik der Wolgadeutschen. 1926, 1. Jahrgang. Heft 1-2. – Pokrowsk: Deutscher Staatsverlag, 1927. – 112 S.


Zum Geleit.

Das Zentralmuseum der Wolgadeutschen Republik, das, vollständig ausgebaut, das gesamte Leben umfassen wird, das sich auf dem Territorium der Republik abspielt und früher in geschichtlichen und vorgeschichtlichen Zeiten abgespielt hat, kann und will sich in seiner Tätigkeit nicht beschränken auf Sammel- und Aufklärungsarbeit. Es soll vor allen Dingen auch eine Forschungsanstalt, ein Forschungsinstitut sein. Da die Wolgadeutsche Republik keine eigene Hochschule besitzt — denn die Deutsche Abteilung der Pädagogischen Fakultät der Saratower Universität, deren Aufgabe es ist, Lehrer der deutschen Sprache und Literatur für rußlanddeutsche Schulen auszubilden, kann als solche im eigentlichen Sinne nicht gelten —, so füllt dem Zentralmuseum die Forschungsarbeit als unmittelbare Aufgabe von selbst zu. Das bedeutet, daß das Zentralmuseum der Wolgadeutschen zum Sammelpunkt Wolgadeutscher wissenschaftlicher Kräfte werden muß und zum Mittelpunkte Wolgadeutscher wissenschaftlicher Forschungsarbeit. Aber ohne die Möglichkeit der Veröffentlichung ihrer Ergebnisse kann wissenschaftliche Forschungsarbeit nicht gedeihen. So war es der Leitung des Zentralmuseums von vornherein klar, daß dies sein eigenes Organ besitzen müsse, in dem vor allem die Resultate der Forschungsarbeit des Museums zur Veröffentlichung kämen. Dies Organ wird den Namen führen „Mitteilungen des Zentralmuseums der Autonomen Sozialistischen Räte-Republik der Wolgadeutschen“. Damit gelangen die Wolgadeutschen zum erstenmal im Laufe ihrer Geschichte zu einer eigenen wissenschaftlichen Zeitschrift.

Die „Mitteilungen“ sollen jährlich in Einzelheften erscheinen, deren jedes einem bestimmten Wissensgebiete gewidmet sein wird und womöglich die Forschungsergebnisse des vorhergehenden Jahres enthalten soll. Der erste Jahrgang der „Mitteilungen“ wird nur aus einem Doppelhefte bestehen, die unten abgedruckte Arbeit des Leiters der Altertumskundlichen Abteilung des Zentralmuseums enthaltend. Der zweite Jahrgang wird zwei Hefte bringen, eins der Volkskunde, das andere der Altertumskunde gewidmet.

Pokrowsk, Mai 1926.

Prof. G. Dinges.
Direktor des Zentralmuseums.


Einleitung.

1895 sind im unteren Wolgagebiet bei Norka, Lebjaschja, Guselki und Maschevka (Gouv. Saratow) von Prof. A. A. Spicyn die ersten Gräber Römischer Zeit aufgedeckt worden1).

Bis 1920 wurden dann von Bauern und Lokalforschern an verschiedenen Orten vereinzelte kaiserzeitliche Grabfunde gemacht, die nur zum Teil in die Öffentlichkeit gedrungen sind.

Wir besitzen kurze Beschreibungen der Funde von Boljschaja Dmitrijewka2), Gusevka3) Moschary (Можары)4) und Tscherbakovka5), während die Fundstücke aus den Grabungen des Paters Beratz (1912 und 1913) und das einschlägige Fundmaterial des Seelmänner heimatkundlichen Liebhaberzirkels (1920) unveröffentlicht geblieben sind. Seit 1921–22 wird das untere Wolgagebiet von Prof. Rykom (Saratow) und Prof. Golmsten (Samara) planmäßig untersucht. Nebst Kurganen der Bronzezeit wurden in diesen Jahren auch mehrere kaiserzeitliche Hügelfriedhöfe erforscht. Bei Samara öffnete Golmsten 1922 8 kaiserzeitliche Gräber.

Im Deutschen Wolgagebiet untersuchte ich 1924 am Steppenfluß Torgun im Auftrage Rykows zusammen mit T. M. Minajewa 9 Gräber dieser Epoche.

Im Spätsommer desselben Jahres deckte Rykow bei Herzog (russ. Susly) am großen Karaman ein Gräberfeld von 60 Kurganen auf, das fast ausschließlich zur Kaiserzeit belegt worden war. 1925 sind die Untersuchungen von Rykow zwischen Wolga und Ural und von mir an verschiedenen Punkten der Wolgadeutschen Republik östlich der Wolga fortgesetzt worden.

Die Grundzüge der kaiserzeitlichen Kulturen an der unteren Wolga waren aber schon mit den Ausgrabungen 1924 deutlich zutage getreten, und die Grabungen des letzten Sommers (1925) brachten, abgesehen von einigen reicheren Gräbern im Uralgebiet, nichts wesentlich Neues hinzu.

Über kaiserzeitliche Grabfunde des unteren Wolgagebiets liegt bereits eine Arbeit von Prof. Rykow vor: Сусловский курганный могильник (Das Gräberfeld von Herzog)6). In dieser Schrift gibt Rykow nebst Publikation der wichtigsten Fundstücke und ausführlichen Grabungsberichten ein Bild kaiserzeitlicher Kulturzustände und eine ungefähre Zeitbestimmung einzelner Grabtypen vom Großen Karaman.

Vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, nebst Publikation unbekannter und neuer Funde, an der Hand einer Zusammenstellung sämtlichen, ungefähr im Bereich der Wolgadeutschen Republik aus Gräbern gewonnenen und dem Verfasser zugänglichen Fundstoffs die typischen Züge der in Rede stehenden Kultur festzustellen und weitere Anhaltspunkte zu einer sicheren zeitlichen Abstufung des örtlichen kaiserzeitlichen Gräberkomplexes zu gewinnen.


1 Отчет Археолог. комиссии за 1895 г.

2 Труды Саратовск. Уч. Арх. комиссии 1888 г. Bd. 1., Heft 3.

3 А. С. Раскопки близ слоб. Гусевки Царицынск. у. Записки отд. Русск. и Слав. Археологии Русск. Арх. Об-ва, том VII, вып. 2, S. 286 f.

4 ОАК за 1898 г., S. 77-78.

5 ОАК за 1899 г., S. 120.

6 Sonderdruck aus Ученые записки Сарат. Госуд. Университета, IV, 1925.


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