Geschichte der Wolgadeutschen

Письмо из Бразилии (1884 г.)


Brasil in Jahr 1884 [Brasilien im Jahre 1884]

Als ich noch in der [die] Schule ging, habe ich folgendes erfahren. Unser Lehrer, den wir hatten, hat sich mit Vieh-Kaufen und Verkaufen beschäftigt. Da hat er sich verfeindet mit Einem von dem er [das Vieh] gekauft hat. Der Verkäufer schickte einen von seinen Angehörigen, der sollte H. Heinrich Müller mit Hinterlist, oder wie man sagt, unter vier Augen, umbringen. Unser Lehrer H. Müller merkte das und hat sich immer fern gehalten von ihm. So musste er mit unverrichteter Sache wieder den Heimweg antreten.

Wir Kinder waren gerade auf den Camp um das Vieh zu holen. Auf einmal sahen wir dass jemand geritten kam. Wir erschreckten uns und wollten schon ausreisen, aber er ruft uns freundlich zu, wir sollten doch keine Angst haben, ich werde euch nichts tun, und stieg vom Pferde ab, ging vor uns her und wollte Waldhühner [тетерева] schießen für uns. Da waren wir froh, und folgten ihm nach. Konnten aber keine [Waldhühner] finden in diesen Wäldchen, den es war klein. Da sagte er zu uns, mir müssen in den größeren Wald, der nicht weit von den Wäldchen entfernt war, da sind ganz gewiss welche Waldhühner. Den [Wald] nannten wir Dicker Wald. Als wir dort hin kamen, bindet er sein Pferd an einen Baum, der vor den Wald stand, und dann liefen wir in Wald, er vorne und wir hinten nach.

Wir waren zum 3-ten. Ich, ein Halbbruder von mir und ein Mädchen. Da sagte er zu uns: „Dort sind welche!“. Da höre ich ein Geräusch von Waldhühnern und so kamen wir immer weiter in den Wald hinein und haben doch keine Waldhühner gefunden. Und da dachte er - jetzt sind wir weit genug im Wald, hier sieht uns niemand und hört uns niemand. Auf einmal ein Jammerschrei! Da sehen wir, dass der Schweinehund das Mädchen gewalttätig angegriffen hatte. Wir beide gingen los was wir konnten. Das Mädchen hat ein Schrei hinter den anderen[von sich gegeben]: „Helft mir, last mich nicht in stich!“. Ich kehrte um zu dem Mädchen, aber mein Halbbruder springt im einen Zug bis zu Hause. Er war Totes blas. Da fragten ihn die Leute, was ist den los, dass du so totbleich aussiehst? Er sagte: „ Ein Brasilianer hat das Mädchen angegriffen, sie schreie was sie nur konnte!“. Da fragten die Leute nach mir. „Ich weis nicht, glaube er ist dort geblieben“ – gab er zur Antwort. Und die Leute von NN Kolonie machten sich rasch auf dem Camp, reitend und zu Fuß und jeder hat ein Schlaggeschirr bei sich. Wer keine Flinten oder Pistolen hat, nahm ein Axt oder Gabel mit, um den Schweinehund zu kriegen. Ich glaube, wenn sie ihn noch bei uns angetroffen hätten, er währe nicht mehr lebendig davon gekommen. Aber er war nicht mehr da.

Ich war, wie ich schon sagte, wieder zurück gegangen. Mit bangen Herzen nahte ich mich ihm. Er war aber freundlich zu mir, ich sollte mich setzen, und [er] gab mir seine Pistole und Messer in Verwahrschaft. Damit wollte er mich trösten und fragte gleich nach meinem Kamerad. „Der wird schon bald zu Hause sein“- antwortete ich ihm. Das Mädchen dat ein Schrei auf den Andren. Da kam ich auf den Gedanken, dem Mädchen zu helfen. Die Pistole und das Messer hatte ich doch in der Hand, aber was kann ein Junge von zwölf Jahren gegen ein[en] Mann machen, dachte ich und sagte zum Mädchen: „Wir müssen uns auf Gott verlassen“. Das Mädchen war neun Jahre alt, sie wehrte sich bis er sie losließ. Er dachte wahrscheinlich auch, [dass] die Leute kommen jetzt und suchen nach dich. Wir beide gingen Hand in Hand, was unsere Beine nur konnten, auf der Kolonie zu. Der Brasilianer kam nochmals auf uns zu gejagt. Da hatten wir wieder Angst. Es sagte aber nur adieu und jagte im schärfsten Galopp weiter. Und richtig, er war kaum ums unseren Camp in Wald verschwunden, da waren auch schon unsere Leute bei uns. Da wurde gefragt:“Wo ist der Brasilianer?“ Er war, wie ich schon erwähnte, fort. Da wurde noch gefragt von dies und jenes. Wir hatten immer zu antworten. Die Angehörige von dem Mädchen haben sich sehr gekränkt [gefühlt], aber was war zu machen - es war geschehen.

Экспонат предоставлен: Carlos Alberto Schwab

Дата размещения: 12.12.2009


Фотокопию этого письма передала нам в мае 2008 года Ирина Герлейн (Irina Herlein), которая получила его, в свою очередь, от своего дальнего родственника, Карлоса Шваба (Carlos Alberto Schwab), потомка поволжских немцев, эмигрировавших в Бразилию в 1896 году.

"Brasil in 1884" - это, по всей вероятности, название рассказа или воспоминаний автора. В письме описывается небольшая криминальная история, приключившаяся с детьми в пору начального этапа колонизации Бразилии. Познакомившись с содержанием письма, читатель непременно оценит его автора, как хорошего рассказчика.

Очевидно, что письмо написано довольно образованным человеком, хорошим, ровным подчерком, рукой, привыкшей много писать. Письмо написано сюттерлином. Грамматические и орфографические ошибки в тексте практически отсутствуют, а те, что есть, отражают тогдашнюю норму письма и наслоение небольшого диалекта. В квадратных скобках даны незначительные пояснения для лучшего понимания смысла. Кроме того, расставлены знаки препинания и выделена прямая речь. В остальном полностью сохранен текст оригинала.

Письмо подписано Johann Rau (? Raul) Fran (Z?). Примечательно, что эта запись сделана другими чернилами и другим подчерком и, вероятно, гораздо позже, чем было написано само письмо. На стр. 2 тем же подчерком дописаны имена, очевидно, других детей, участников событий: Jakob Franz, Dorothe Rau...???? не разборчиво.

Andreas Idt