Allerhöchstes Manifest.
Von Gottes Gnaden
Wir Katharina die Zweite,
Kaiserin und Selbstherrscherin aller Reußen
u. s. w., u. s. w.
Das Uns der weite Umfang der Länder Unseres Reiches zur Genüge bekannt, so nahmen Wir unter andern wahr, daß keine geringe Zahl solcher Gegenden noch unbebaut liege, die mit vortheilhafter Bequemlichkeit zur Bevölkerung und Bewohnung des menschlichen Geschlechtes nutzbarlichst könnte angewendet werden, von welchen die meisten Ländereien in ihrem Schooße einen unerschöpflichen Reichtum an allerlei kostbaren Erzen und Metallen verborgen halten; und weil selbige mit Holzungen, Flüssen, Seen und zur Handlung gelegenen Meeren genugsam versehen, so sind sie auch ungemein bequem zur Beförderung und Vermehrung vielerlei Manufacturen, Fabriken und zu verschiedenen andern Anlagen. Dieses gab Uns Anlaß zur Erteilung des Manifestes, so zum Nutzen aller Unserer getreuen Unterthanen den 4. December des abgewichenen 1762sten Jahres publiziert wurde. Jedoch, da Wir in selbigem denen Ausländern, die Verlangen tragen würden, sich in Unserm Reiche häuslich niederzulassen, Unser Belieben nur summarisch angekündiget; so befehlen Wir zur besseren Erörterung desselben folgende Verordnung, welche Wir hiemit feierlichste zum Grunde legen, und in Erfüllung zu setzen gebieten, jedermänniglich kund zu machen.
1.
Verstatten Wir allen Ausländern, in Unser Reich zu kommen, um sich in allen Gouvernements, wo es einem jeden gefällig, häuslich niederzulassen.
2.
Dergleichen Fremde können sich nach ihrer Ankunft nicht nur in Unsere Residenz bei der zu solchem Ende für die Ausländer besonders errichteten Tutel-Canzllei, sondern auch in den anderweitigen Grenz-Städten Unsers Reichs nach eines jeden Bequemlichkeit bei denen Gouverneurs, oder, wo dergleichen nicht vorhanden, bei den vornehmsten Stadt-Befehlshabern melden.
3.
Da unter denen sich in Rußland niederzulassenden Verlangen tragenden Ausländern sich auch solche finden würden, die nicht Vermögen genug zu Bestreitung der erforderlichen Reisekosten besitzen, so können sich dergleichen bei Unsern Ministern und Residenten an auswärtigen Höfen melden, welche sie nicht nur auf Unsere Kosten ohne Anstand nach Rußland schicken, sondern auch mit Reisegeld versehen sollen.
4.
Sobald dergleichen Ausländer in Unserer Residenz angelanget und sich bei der Tutel-Canzellei oder in einer Grenz-Stadt gemeldet haben werden; so sollen dieselben gehalten sein, ihren wahren Entschluß zu eröffnen, worin nämlich ihr eigentliches Verlangen bestehe, und ob sie sich unter die Kaufmannschaft oder unter Zünfte einschreiben lassen und Bürger werden wollen, und zwar namentlich, in welcher Stadt; oder ob sie Verlangen tragen, auf freiem und nutzbarem Grunde und Boden in ganzen Colonien und Landflecken zum Ackerbau oder zu allerlei nützlichen Gewerben sich niederzulassen; da sodann alle dergleichen Leute nach ihrem eigenen Wunsche und Verlangen ihre Bestimmung unverweilt erhalten werden; gleich denn aus beifolgendem Register zu ersehen ist, wo und an welchen Gegenden Unsers Reiches namentlich frei und zur häuslichen Niederlassung bequeme Ländereien vorhanden sind; wiewohl sich außer der in bemeldtem Register aufgegebenen noch ungleich mehrere weitläufige Gegenden und allerlei Ländereien finden, allwo Wir gleichergestalt verstatten sich häuslich niederzulassen, wo es sich ein jeder am nützlichsten selbst erwählen wird.
5.
Gleich bei der Ankunft eines jeden Ausländers in Unser Reich, der sich häuslich niederzulassen gedenket und zu solchem Ende in der für die Ausländer errichteten Tutel-Canzellei oder aber in anderen Grenz-Städten Unsers Reichs meldet, hat ein solcher, wie oben im 4-ten § vorgeschrieben stehet, vor allen Dingen seinen eigentlichen Entschluß zu eröffnen, und sodann nach eines jeden Religion-Ritu den Eid der Unterthänigkeit und Treue zu leisten.
6.
Damit aber die Ausländer, welche sich in Unserm Reiche niederzulassen wünschen, gewahr werden mögen, wie weit sich Unser Wohlwollen zu ihrem Vortheile und Nutzen erstrecke, so ist, dieses Unser Wille: 1. Gestatten Wir allen in Unser Reich ankommenden Ausländern unverhindert die freie Religions-Uebung nach ihren Kirchensatzungen und Gebräuchen; denen aber, welche nicht in Städten, sondern auf unbewohnten Ländereien sich besonders in Colonien oder Landflecken niederzulassen gesonnen sind, ertheilen Wir die Freiheit Kirchen und Glocken-Thürme zu bauen und die dabei nöthige Anzahl Priester und Kirchendiener zu unterhalten, nur einzig den Kloster-Bau ausgenommen. Jedoch wird hiebei jedermann gewarnet, keinen in Rußland wohnhaften christlichen Glaubensgenossen, unter gar keinem Vorwande zu Annehmung oder Beipflichtung seines Glaubens und seiner Gemeinde zu bereden oder zu verleiten, falls er sich nicht der Furcht der Strafe nach aller Strenge Unserer Gesetze auszusetzen gesonnen ist. Hievon sind allerlei an Unserm Reiche angrenzende mahometanischen Glaubens zugethane Nationen ausgeschlossen; als welche Wir nicht nur auf eine anständige Art zur christlichen Religion zu neigen, sondern auch sich selbige unterthänig zu machen, einem jeden erlauben und gestatten. 2. Soll keiner unter solchen zur häuslichen Niederlassung nach Rußland gekommene Ausländer an Unsere Casse die geringsten Abgaben zu entrichten, und weder gewöhnliche oder außerordentliche Dienste zu leisten gezwungen, noch Einquartierung zu tragen verbunden, sondern mit einem Worte, es soll ein jeder von aller Steuer und Auflagen folgendermaßen frei sein: diejenigen nämlich, welche in vielen Familien und ganzen Colonien eine bisher noch unbebaute Gegend besetzen, genießen dreißig Freijahre; die sich aber in Städten niederlassen und sich entweder in Zünften oder unter der Kaufmannschaft einschreiben wollen, auch ihre Wohnung in Unserer Residenz Sankt Petersburg oder in benachbarten Städten in Liefland, Esthland, Ingermanland, Carelen und Finnland, wie nicht weniger in der Residenz-Stadt Moskau nehmen, haben fünf Frei-Jahre, in allen übrigen Gouvernements- oder Provinzial- und andern Städten aber zehn Freijahre zu genießen. Wonächst ein jeder, der nicht etwa nur auf einige kurze Zeit, sondern zur wirklichen häuslichen Niederlassung, nach Rußland kommt, noch überdem ein halbes Jahr hindurch frei Quartier haben soll. 3. Allen zur häuslichen Niederlassung nach Rußland gekommenen Ausländern, die entweder zum Kornbau und anderer Hand-Arbeit, oder aber Manufacturen, Fabriken und Anlagen zu errichten, geneigt sind, wird alle hülfliche Hand und Vorsorge dargeboten und nicht allein hinlänglich und nach eines jeden Bedürfniß vortheilhaftes Land eingeräumt, sondern auch noch den Umständen eines jeden erforderlicher Vorschub gereichet werden, je nachdem es die Notwendigkeit und der künftige Nutzen von solchen zu errichtenden Fabriken und Anlagen erheischet, besonders aber von solchen, die bis jetzo in Rußland noch nicht errichtet gewesen. 4. Zum Häuserbau, zu Anschaffung verschiedener Gattung im Hauswesen benöthigten Viehes, und zu allerlei wie beim Ackerbau, also auch bei Handwerken, erforderlichen Instrumenten, Zubehör und Materialien, soll einem jeden aus unserer Casse das nöthige Geld ohne alle Zinsen vorgeschossen, sondern lediglich das Capital, und zwar nicht eher als nach Verfließung von zehn Jahren, in drei Jahren zu gleichen Theilen gerechnet, zurückgezahlt werden. 5. Wir überlassen denen sich etablirten ganzen Colonien oder Landflecken die innere Verfassung der Jurisdiction ihrem eigenen Gutdünken, solchergestalt, daß die von Uns verordneten obrigkeitlichen Personen an ihren inneren Einrichtungen gar keinen Antheil nehmen werden, im Uebrigen aber sind solche Colonisten verpflichtet, sich Unserem Civil-Rechte zu unterwerfen. Falls sie aber selbst Verlangen trügen eine besondere Person zu ihrem Vormunde oder Besorger ihrer Sicherheit und Vertheidigung von Uns zu erhalten, bis sie sich mit den benachbarten Einwohnern dereinst bekannt machen, der mit einer Salvegarde von Soldaten, die gute Mannszucht halten, versehen sei; so soll ihnen auch hierinnen gewillfahrt werden. 6. Einen jeden Ausländer, der sich in Rußland häuslich niederlassen will, gestatten Wir die völlige zollfreie Einfuhr seines Vermögens, es bestehe dasselbe worin es wolle, jedoch mit dem Vorbehalte, daß solches Vermögen zu seinem eigenen Gebrauche und Bedürfnis, nicht aber zum Verkaufe bestimmt sei. Wer aber außer seiner eigenen Nothdurft noch einige Waaren zum Verkauf mitbrächte, dem gestatten Wir freien Zoll für jede Familie vor drei Hundert Rubel am Werthe der Waaren, nur in solchem Falle, wenn sie wenigstens zehn Jahre in Rußland bleibet: widrigenfalls wird bei ihrer Zurück-Reise der Zoll sowohl für die eingekommene als ausgehende Waare abgefordert werden. 7. Solche in Rußland sich niederlassende Ausländer sollen während der ganzen Zeit ihres Hierseins, außer dem gewöhnlichen Land-Dienste, wider Willen weder in Militair- noch Civil-Dienst genommen werden; ja auch zur Leistung dieses Land-Dienstes soll keiner eher als nach Verfließung obangesetzter Freijahre verbunden sein; wer aber freiwillig geneigt ist, unter die Soldaten in Militair-Dienst zu treten, dem wird man außer dem gewöhnlichen Solde bei seiner Enrollirung beim Regimente Dreißig Rubel Douceur-Geld reichen. 8. Sobald sich Ausländer in der für sie errichteten Tutel-Canzlei, oder sonst in Unsern Grenz-Städten gemeldet und ihren Entschluß eröffnet haben, in das Innerste des Reichs zu reisen und sich daselbst häuslich niederzulassen, sobald werden selbige auch Kostgeld, nebst freier Schiffe bis an den Ort ihrer Bestimmung bekommen. 9. Wer von solchen in Rußland sich etablirten Ausländern dergleichen Fabriken, Manufacturen oder Anlagen errichtet, und Waaren daselbst verfertigt, welche bis dato in Rußland noch nicht gewesen, dem gestatten Wir, dieselben zehn Jahre hindurch, ohne Erlegung irgend einigen inländischen See- oder Grenz-Zolles frei zu verkaufen, und aus Unserm Reiche zu verschicken. 10. Ausländische Capitalisten, welche auf ihre eigenen Kosten in Rußland Fabriken, Manufacturen und Anlagen errichten, erlauben Wir hiemit zu solchen ihren Manufacturen, Fabriken und Anlagen erforderliche leibeigene Leute und Bauern zu erkaufen. Wir gestatten auch 11. allen in Unserm Reiche sich in Colonien oder Landflecken niedergelassenen Ausländern, nach ihrem eigenen Gutdünken Markt-Tage und Jahrmärkte anzustellen, ohne an Unsere Casse die geringste Abgaben oder Zoll zu erlegen.
7.
Aller obenangezeigten Vortheile und Einrichtung haben sich nicht nur diejenigen zu erfreuen, die in Unser Reich gekommen sind, sich häuslich niederzulassen, sondern auch ihre hinterlassene Kinder und Nachkommenschaft, wenn sie auch gleich in Rußland geboren; solchergestalt, daß ihre Freijahre von dem Tage der Ankunft ihrer Vorfahren in Rußland zu berechnen sind.
8.
Nach Verfließung obangesetzter Freijahre sind alle in Rußland sich niedergelassene Ausländer verpflichtet, die gewöhnlichen und mit gar keiner Beschwerlichkeit verknüpften Abgiften zu entrichten, und, gleich Unsern andern Unterthanen, Land-Dienste zu leisten.
9.
Endlich und zuletzt, wer von denen sich niedergelassenen und Unserer Botmäßigkeit sich unterworfenen Ausländern Sinnes würde sich aus Unserem Reiche zu begeben, dem geben Wir zwar jederzeit dazu die Freiheit, jedoch mit dieser Erläuterung, daß selbige verpflichtet sein sollen, von ihrem ganzen in Unserm Reiche wohlerworbenen Vermögen einen Theil an Unsere Casse zu entrichten; diejenigen nämlich, die von einem bis fünf Jahre hier gewohnet, erlegen den fünften, die von fünf bis zehn Jahre aber, und weiter, sich in Unserm Lande aufgehalten, erlegen den zehnten Pfennig; nachher ist jedem erlaubt ungehindert zu reisen, wohin es ihm gefällt.
10.
Wann übrigens einige zur häuslichen Niederlassung nach Rußland Verlangen tragende Ausländer aus einem oder anderen besonderen Bewegungs-Grunde, außer obigen noch andern Conditiones und Privilegien zu gewinnen wünschen würden; solche haben sich deshalb an Unsere für die Ausländer errichtete Tutel-Canzlei, welche Uns alles umständlich vortragen wird, schriftlich oder persönlich zu wenden: worauf Wir alsdenn nach Befinden der Umstände nicht anstehen werden, um so viel mehr geneigte Allerhöchste Resolution zu ertheilen, als sich solches ein jeder von Unserer Gerechtigkeitsliebe zuversichtlich versprechen kann. Gegeben zu Peterhof, im Jahre 1763 den 22sten Juli, im zweiten Jahre Unserer Regierung.
Das Original haben Ihro Kaiserliche Majestät Allerhöchst-Eigenhändig folgendergestalt unterschrieben:
(L. S.)
Catharina.
Gedruckt beim Senate den 25-sten Juli 1763.