Geschichte der Wolgadeutschen

BUSCH, Eduard Heinrich von (am 21. Februar 1811 in Glückstadt - 1887 in Pawlowsk bei St. Petersburg), der Autor des Buches "Materialien zur Geschichte und Statistik des Kirchen- und Schulwesens der evangelisch-lutherischen Gemeinden in Russland" (1862, St. Petersburg).

Lehrer. Erzieher der Großfürsten-Söhne.

Seine Vorfahren waren Orgelbauer. Der junge Eduard wollte aber Förster werden. Er schloß die Ausbildung 1831 in Kiel ab und begab sich dann auf eine „wissenschaftliche Reise durch Deutschland und die Schweiz“, wie er in seinen Erinnerungen schrieb. Solche Art Wanderschaft nach dem Abschluß der Ausbildung war bei den jungen Leuten in Deutschland zu jener Zelt durchaus üblich: sie diente der Allgemeinbildung und erweiterte den Horizont. Von seiner Heimat Holstein ging der junge Mann nach Süden zu Fuß. Im Sommer 1832 erreichte er Tirol, von dort „ging ich im Herbst über München, Prag, Dresden und Berlin nach Stettin, wo ich mich Ende Oktober 1832 nach Riga einschiffte“. Das Ziel war Dorpat. Hier lebte sein Bruder Andreas Caspar Friedrich Busch, Professor für Theologie an der Universität Dorpat.

Den Winter 1832-1833 verbrachte Busch im Hause seines Bruders und befaßte sich mit der russischen Sprache, mit Geographie und Statistik Rußlands. Augenscheinlich hatte er schon damals vor, eine Anstellung in Rußland zu suchen. Im Sommer 1833 ging er nach St. Petersburg, wo er jedoch nicht in der Forstwirtschaft, sondern in dem 3. Gymnasium unter Direktor Professor Schneider eine Anstellung erhielt. Seit 1836 gehörte er als Lehrer für Geographie und Geschichte dem Lehrkörper der Reformierten Schule in St. Petersburg an. Ein Jahr später wurde er zusätzlich als Lehrer der deutschen Sprache am 3. St. Petersburgschen Gymnasium registriert. Kurze Zeit darauf, 1840, wurde er Lehrer im ,,Adligen Fräuleinstift zu Smolna“, nachdem er 1839 den Eid als russischer Untertan geleistet hatte.

Am 19. September 1836 heiratete E.H. Busch in St. Petersburg Elisabeth Johanna Eleonore Carlblom (1813-1860). Die Tochter Margaret (Margot) Charlotte Busch (1842-1885) wird ihr Schicksal mit dem Pastor Eduard Heinrich Johansen (1831-1912) verbinden und wird die Mutter der zukünftigen Frau von Architekten Carl Schmidt (1866-1945) werden – meiner zukünftigen Großmutter mütterlicherseits. Der Sohn Friedrich Busch (1838-1905), der Bruder von Margot, wird mein zukünftiger Ur-Großvater väterlicherseits.

Um die Mitte des 19. Jahrhundertes hatte man sich in Rußland schon verschiedentlich Gedanken über die Einrichtung von Wohltätigkeitskassen gemacht, um kranken und alten Menschen zu helfen. Die erste Krankenkasse dieser Art hatte wohl der berühmte Doktor Friedrich Joseph Haas in Moskau 1844 ins Leben gerufen. Auch in Deutschland gab es seit 1842 in Gestalt des „Gustav-Adolf-Vereins“ tätige Hilfe im Rahmen der evangelischen Kirche. Nach dem Vorbild dieses Vereins hatte im Jahre 1859 das „Central-Comitee der Unterstützungs-Kasse für Evangelisch-Lutherische Gemeinden in Russland“ seine Tätigkeit aufgenommen. Und so ist es einem der Initiatoren und langjährigem Direktor dieser Unterstützungskassen, Eduard H. Busch, zu verdanken, daß die genauesten statistischen Zeugnisse über das Leben vieler deutscher Gemeinden in Rußland zusammengetragen wurden, sie dienen uns heute als unikale Quelle für das tägliche Leben deutscher Dorf- und Siedlungsgemeinschaften seit ihrer Entstehung bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts.

Am 13. Juni 1860 starb seine Frau und bald heiratete Busch Matilde Emilie Mechmershausen (1834-1919) in Reval (Tallin).

Wenige Jahre später ließ E.H. Busch dem ersten Band einen zweiten folgen, als sich erwies, daß die aus allen Landesteilen eintreffenden Informationen die bisherigen Angaben präzisierten und vertieften. Sicher kamen bei ihm diesen Arbeiten seine früheren Studien über die Geographie und Statistik Rußlands zugute. Das General-Consistorium zu St. Petersburg, das die Leitung der Angelegenheiten der evangelisch-utherischen Kirche in Rußland in der Hand hatte und dem Busch etliche Jahre angehörte, förderte diese Arbeit. Wie im Titelblatt vermerkt, ging der Ertrag beider Bände der Unterstützungskasse zu – diese erhielt ja keine staatliche Förderung, sondern mußte durch Beiträge, Spenden und ähnlichen Zuwendungen ihre Tätigkeit bestreiten.

Busch hatte durch die Arbeit an den beiden Büchern keinen Gewinn erzielen wollen, obwohl er einen solchen durchaus gebraucht hätte. Wie aus seinen Aufzeichnungen hervorgeht, war die Dotation auch für Lehrer an anspruchsvollen Lehreinrichtungen nicht üppig, er mußte schon zusehen, wie er mit seiner größer werdenden Familie zurecht kam. Zahlreiche Ehrungen, Orden und Medaillen wurden ihm in den folgenden Jahren zuteil, man würdigte ihn durch Ernennung zum Kaiserlichen Hofrat und so manches mehr – doch all dies brachte keine wesentliche Verbesserung materieller Sorgen, noch immer wußte er den ermüdenden täglichen Unterricht in den Lehreinrichtungen der Stadt absolvieren. Als ihm schließlich 1872 in Anerkennung seiner langjährigen Verdienste um die Erziehung der Söhne des Großfürsten Konstantin der persönliche Adel verliehen wurde, konnte er in den verdienten Ruhestand gehen. Auch diese Würdigung nahm er gelassen hin, das Ganze hätte ihn 300. Rubel gekostet, schrieb er in einem Brief an seine Kinder, wahrlich ein stattlicher Preis für die damalige Zeit.

Eduard Heinrich von Busch hatte ein erfülltes Leben in seiner neuen Heimat durchlebt. Beeindruckend blieb für seine Nachfahren sein täglicher Fleiß, seine Pflichterfüllung gegenüber seinen Nächsten wie in den freiwillig übernommenen Aufgaben der „gesellschaftlichen Arbeit“ wie wir heute gesagt hätten. Ihn deformierte kein Stolz auf die ihm erwiesenen Ehrungen. Wie in der Familienüberlieferung erzählt wird, war er auch nach seiner Pensionierung ein gern gesehener Gast im großfürstlichen Hause in Pawlowsk. Er starb dort 1887.

Werke: Materialien zur Geschichte und Statistik des Kirchen- und Schulwesens der evangelisch-lutherischen Gemeinden in Russland 1862. St. Petersburg. 1862. 696 S. IfA, LCW, UBT, UBG, UGH, LBST; Ergänzungen zur Geschichte und Statistik des Kirchen- und Schulwesens der evangelisch- lutherischen Gemeinden in Russland 1867. XXVI, 696 S., XXXII, 1276 S. 2 Karten. Bd. 2: St. Petersburg. Leipzig: Hässel 1862. 1867. IfA, UBT, HSH.

Quellen: „Heimatbuch“ der deutschen aus Russland 1959, Herausgegeben von der „Landsmannschaft der Deutschen aus Russland“. Das Schrifttum über das Deutschtum in Russland (eine Bibliographie von Dr. K. Stumpp). S. 14;
„Das Schrifttum über das Deutschtum in Russland“ Eine Bibliographie, 5., sehr erweiterte Auflage von Dr. Karl Stumpp. Hrsg. (1980) Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V. (Schlossstrasse 92, 7000 Stuttgart 1). S. 15;
„Bibliographie zur Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen“ / Detlef Brandes/Margarete Busch/Kristina Pavlovic, Band 1. von der Einwanderung bis 1917. (Schriften des Bundesinstituts für Ostdeutsche Kultur und Geschichte Bd. 4); R. OLDENBOURG VERLAG MÜNCHEN 1994, ISBN 3-486-56070-0. S. 97 (Nr. 1290);
“Die deutschen Kolonien in Wolhynien”. (19. bis Anfang 20. Jahrhundert). Von Dr. Mychajlo Kostiuk. Aus dem Ukrainischen von Dr. Dmytro Zlepko übersetzt. Bearbeitet von Nikolaus Arndt. Diese Arbeit wurde 1999 von der Universität Lwiw/Lemberg in der Ukraine als Dissertation anerkannt. Herausgeber: Historischer Verein Wolhynien e. V. Wiesentheid 2006. S. 194;
„Эдуард Генрих фон Буш (1811–1888)“: Фогт Э. // Немцы в Санкт-Петербурге (XVIII–XX века): биографический аспект. — СПб., 2003. — Вып. 1. — С. 251–253; DAZ (Deutsche Allgemeine Zeitung) Nr. 33, 2015 vom 14.08.2015. S. 10;
„Eduard Heinrich Busch“ von Dr. E. Voigt // DAZ (Deutsche Allgemeine Zeitung) vom 03.10.1991;
Erik-Amburger-Datenbank „Ausländer im vorrevolutionären Russland”.

Dr. Erika Voigt, geb. Busch (Berlin).




"Der alte Busch" - Eduard Heinrich von Busch, und die Rückseite des Fotos.

 

Eduard Heinrich von Busch mit seiner zweiten Frau Mathilde, geb. Mechmershausen.

 

Wappen vom Busch.