Geschichte der Wolgadeutschen

FÜRSORGEKONTOR FÜR AUSLÄNDISCHE ANSIEDLER. Der Beschluß zur Bildung eines eigenen Kontors für die Kolonisten des Wolgagebietes wurde am 28. April 1766 gefaßt. Dem Kontor gehörten 27 Mitarbeiter an, darunter Richter, Sekretäre, übersetzer, Archivare und eine kleine militärische Einheit zum Schutz der Kolonien vor eventuellen überfällen. Es hatte die Aufgabe, die Kolonisten so lange zu verwalten, bis sie alle russischen Gepflogenheiten übernommen hätten. Außerdem sollte es mögliche Konflikte zwischen den Kolonisten und der einheimischen Bevölkerung beilegen. Den Kern des Kontors bildete ein Kollegium, dem ein Hauptrichter oder Hauptbeisitzer vorstand. Den Kollegiumsmitgliedern oblag die Aufgabe, die Kolonien zu überprüfen, die Tätigkeit der Kommissare und Dorfältesten zu überwachen und Verwaltungsfragen zu lösen. Zwischenglied zwischen Kolonisten und dem Kontor bildeten ab 1768 die Bezirkskommissare. Das Kontor regulierte auch die weitere Ansiedlung der deutschen Kolonisten. Es vergab auch die offiziellen russischen Namen für die deutschen Kolonien (Namensgebung). Die im Zuge der Gouvernementsreform 1782 erfolgte Auflösung der Ausländerbehörden und die vorübergehende Aufhebung der Selbstverwaltung führte zur kontorlosen Zeit. Aufgrund von Beschwerden über die Willkürherrschaft der russischen Gouverneure und ihrer Beamtenschaft wurde das Kontor am 30. Juni 1797 wieder eröffnet. Erst mit dem Gesetz über die "Agrarische Organisation der Ansiedler" vom 17. Dezember 1866 wurde die Verwaltung der deutschen Kolonien an der Wolga den russischen staatlichen Organen für bäuerliche Angelegenheiten übertragen (Semstwo). Damit entfiel die Zuständigkeit des Ministeriums für Staatsdomänen mit seiner Kanzlei in Saratow. Das deutsche Kontor behielt nur noch die Befugnis über die Kirchen- und Schulfragen.

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