Geschichte der Wolgadeutschen

DIE UFER / БЕРЕГА

ALMANACH DER RUSSLANDDEUTSCHEN
АЛЬМАНАХ РОССИЙСКИХ НЕМЦЕВ


Svetlana LOSKANT

Konrad

Meinem Großvater Konrad Loskant
(geb. 1915) gewidmet

Wenn Sie sich an die Erzählungen aus dem Leben Ihrer Großeltern erinnern können, ist es ein großes Glück. Dann konnten Sie die mit den Großeltern verbrachten Zeiten genießen. Ich hatte leider nicht so oft solche Möglichkeiten bekommen. Besonders mit meinem Großvater – Konrad Loskant.

Das Schicksal hat so bestimmt, dass viele Familien im Krieg über tausende Kilometer durch das ganze sowjetische Land zerstreut wurden. Der Kampf ums Überleben forderte von Jedem die volle Kraft. Und könnte man denken, dass für andere Sorgen und Gefühle nichts mehr übrig blieb. Aber das stimmt nicht. Die Menschen haben jede Minute an ihre über alles geliebten Kinder, Eltern und Verwandte gedacht. Und nach Möglichkeiten kamen die Familien nach dem Krieg wieder zusammen, aber nicht alle…

Vor dem Krieg, als die Welt meines Großvaters noch in Ordnung war, arbeitete er bei der Staatsanwaltschaft der ASSR der Wolgadeutschen. War sehr aktiv auch im Sozialleben. Konrad hat vieles zur Stärkung der Unabhängigkeit der deutschen Autonomie unternommen. Er hat nach einer Umsetzung der Idee, dass jedes Volk muss das Recht auf Verfügung über sein Schicksal haben, selbst sein Leben und seine Kultur entwickeln, gestrebt.

Am Anfang des Krieges ist ihm ein Aufpasser zugeordnet worden, der zu jeder Zeit bei Konrad bleiben und über alles „nach oben“ weiter berichten sollte. Als Kommunist und Patriot seines Landes konnte Konrad das nicht fassen. Er kam zum Vorgesetzten: “Wenn die Partei kein Vertrauen zu mir hat, dann können Sie meinen Parteiausweiß zurück haben“. Als Resultat: Konrad wurde zum Erschießen verurteilt. Danach waren schreckliche Tage in der Todeszelle, Verhöre, Briefe um Begnadigung. Und, oh ein Wunder, das nicht oft in diesen Zeiten geschah, – er wurde begnadigt. Musste dafür aber zehn Jahre in einem Lager des NKWD, ohne Erlaubnis mit der Familie Kontakte zu haben, als Holzfäller arbeiten. Da Konrad gebildet war, konnte er einige Zeit später mit Dokumenten in einem Lagerraum arbeiten. Das hat unter anderem sein Leben vor Hungertod und Ausschöpfung gerettet. Als Konrad eine Möglichkeit die Familie zu suchen bekommen hat, schrieb er an verschiedene Dienststellen. Bekam entweder negative oder keine Antworten.

Er wusste nicht, dass seine Frau Frida mit zwei Söhnen und der Tochter nach Krasnojarsk deportiert wurde. Nach kurzer Zeit starb die Tochter, und Mutter und Söhne wurden getrennt. Konrad hielten alle zu dieser Zeit für tot. Frida wurde nach Nischni Tagil in die Arbeitsarmee geschickt, und die Kinder sind in ein Waisenhaus gebracht worden. Die kleine Brüder Alexander und Waldemar blieben nicht lange zusammen. Der jüngste, Waldemar, wurde im Alter von drei Jahren adoptiert. Er bekam ein neues Geburtsdatum, andere Namen und eine neue Familie.

Im Jahre 1956 ist Konrad Loskant entlassen worden. Er lebte und arbeitete in der Region Krasnojarsk. Aber all die Jahre hat Konrad die Suche nach der Familie nicht aufgegeben. Auf eine Anfrage bekam er sogar die Antwort, dass die Fähre, wo seine Frau mit den Kindern war, bombardiert wurde und fast keiner konnte gerettet werden. Eine solche Nachricht konnte ihn trotzdem nicht aufhalten. Er suchte weiter so lange, bis eine Information kam, wo seine Frau und der älteste Sohn sind. Bis zu diesem Moment sind schon mehrere Jahre vergangen. Seine Frida hatte eine neue Familie gegründet und natürlich überall ihre Söhne gesucht. Konrad war auch schon verheiratet und lebte in Kasachstan. Mit dem Sohn Alexander hat er sich getroffen und war mit ihm in ständigem Kontakt. Aber Waldemar? Die Suche ging weiter und ist belohnt worden. Er konnte den Wohnort und den neuen Name seines Sohnes erfahren. Konrad wollte seinen jüngsten Sohn sehen. Nach der Ankunft im Dorf hat ihm jemand gesagt, dass er einem jungen Mann sehr ähnlich sieht. Die Freude war sehr groß, aber Konrad konnte sich mit dem Sohn erst mehrere Tage später treffen. Die Adoptiveltern wollten nicht, dass ihr einziger Sohn Waldemar die ganze Wahrheit erfährt. Nun konnte die Geburtsgeschichte für Waldemar kein Geheimnis mehr bleiben. So hat Konrad alle gefunden. Die Brüder Alexander und Waldemar waren sehr froh und wollten sich treffen. Leider hat das Schicksal dies nicht so bestimmt. Waldemar ist zum Wehrdienst gegangen. Alexander hat öfters geplant ihn zu besuchen, aber es kam immer was dazwischen. Er hat geheiratet und ist nach Gebiet Omsk, wo seine Mutter nach der Arbeitsarmee wohnte, umgezogen. Im Jahre 1963 ist Alexander auf tragische Art ums Leben gekommen. Waldemar konnte schließlich nur sein Grab besuchen.

Solche tragische Familiengeschichten waren keine Seltenheit in den Nachkriegszeiten. In der Familie von Konrad Loskant war er das Glied, das versucht hat alle zusammen zu bringen. Auf der Suche nach der Familie konnte mein Großvater Konrad mehrere Orte sehen und verschiedene Menschen begegnen. Seit 1934 publizierte Konrad Loskant Skizzen, Erzählungen in Zeitschriften wie „Deutsche Zentralzeitung“, „Neues Leben“, „Freundschaft“, später „Deutsche Allgemeine“. Auch in den Gebietszeitungen wie „Snamja Truda“, „Enbek Tuja“ konnte man seine Arbeiten lesen. Alle Jahre hat er neben dem Hauptjob als freier Journalist gearbeitet. Bis zur Abreise nach Deutschland versuchte er alles, was in seiner Macht war, für die vollständige Rehabilitation der Russlanddeutschen und der Rückgabe ihrer Autonomie zu unternehmen. Als eine Bestätigung dafür kann seine Rede im Moskau am Außerordentlichen Kongress der Russlanddeutschen im März 1991 sein.


Mein liebes trostloses Volk!

Ich, Konrad Loskant, Staatsanwalt der Autonomen Republik der Wolgadeutschen, wurde zum Tode verurteilt, weil ich die verleumderische Beschuldigung des deutschen Volkes der UdSSR wegen Mithilfe dem faschistischen Deutschland als Lüge erklärt habe. Angesichts der Sitzung des Außerordentlichen Kongresses bestätige ich, dass es ein der schändlichsten Verbrechen gegen unser Volk war.

Ich sehe hier im Saal den Genossen Hasselbach und einige wenige am Leben gebliebene Leute, die in unserer Heimat an der Wolga gearbeitet haben, und sie sind lebendige Zeugen dafür, dass eine Deutsche autonome Republik existiert hat und wieder entstehen muss! (Beifall.

Родные вы мои! Должно быть, многие советские немцы сегодня осуждают своих далеких предков за то, что они переселились в Россию, в страну, которая при царском самодержавии служила «международным жандармом», а при советской власти – «империей зла». (Аплодисменты.

С первого дня переселения немцев в Россию они подвергались и до сего дня подвергаются великодержавному шовинизму, местному национализму, геноциду. Правители страны, охваченные шпиономанией, в немце всегда видели врага, даже самого Ленина признавали немецким шпионом. И, несмотря на весомый вклад, внесенный немцами в прогрессивное развитие как царской России, так и Советского государства, они так и не стали равноправными гражданами этого государства. 

Нет времени более подробно остановиться на этих вопросах, вернемся к сегодняшнему дню: что есть, что должно и что может быть. Сегодня наш последний шанс. Я хочу поблагодарить тов. Гроута за то, что он позволил нам собраться и решить: или – или…

Справедливое решение нашего вопроса было возможно без каких-либо эксцессов сразу после прихода к власти и руководству администрации Горбачёва. Но он, видимо, сам-то не очень этого хочет. Умышленное затягивание решения этого вопроса дало время экстремистским и шовинистически настроенным партийным, советским и правоохранительным органам на территории бывшей Немецкой республики разжечь национальную вражду местного населения против советских немцев, толкнуть народ на митинги и демонстрации против возвращения законных владельцев этой земли. Горбачёв на Пленуме ЦК КПСС по вопросу межнациональных отношений заявил: «С теми, кто разжигает межнациональную вражду, будем бороться вплоть до исключения из партии и привлечения к уголовной ответственности!» На практике же никого из партии не исключили, никого к уголовной ответственности не привлекли.

Не случайно назначен председателем Комиссии по проблемам советских немцев именно Гусев – бывший первый секретарь Саратовского обкома партии, который, понятно, не заинтересован в восстановлении государственности советских немцев в прежних границах. Эта комиссия за год ничего не сделала. И почему Гусев, которому на III (чрезвычайной) конференции «Возрождения» было выражено недоверие, продолжает возглавлять эту комиссию?

Последняя надежда – на парламент России. Решить нашу проблему мы можем только тогда, когда выступим сплоченно, единым фронтом. Советская власть должна реабилитировать не нас, а себя в наших глазах. Должны быть отменены все шовинистические акты – Указы 1941, 1948, 1955, 1964 годов. Посмотрите, сколько было издано указов о советских немцах! Словно у советского руководства не было больше дел, чем заниматься немцами. (Аплодисменты.) Уж, право, не знаю, за что владыки нашей страны так ненавидят, так боятся своих немцев?

Я, грешным делом, было подготовил агрессивный демарш против наших штрейкбрехеров, бывшего оргкомитета. (Аплодисменты.) Собирался вымести их железной метлой, но, слава богу, их уже убрали, не стоит тратить на это лишнего времени. Да и вспоминать таких я считаю ниже своего достоинства. (Аплодисменты.)

Многие уезжать не хотят, ведь Родина – она одна у человека. Ее не выбирают по своему вкусу и желанию, как не выбирают себе мать. Уж какая она есть, она твоя единственная, ни с чем не сравнимая. Родина – это твоя судьба, доставшаяся тебе на радость и на горе, на все испытания, на счастливые и несчастливые времена быстротечной жизни.

Я старый человек, мне 76 лет. (Аплодисменты.) Сколько я пережил, известно только одному Богу. И самое главное мое желание, главное, что я хочу, – это сложить свои кости на родной земле, рядом с останками своих предков. (Аплодисменты.) Миленькие вы мои! Я очень вас прошу: помогите мне в этом! (Бурные аплодисменты.

Nach der Ankunft in Deutschland hat Konrad an zwei Büchern gearbeitet. Das erste Buch „Wie eine Birke im Wind“ ist im Jahre 2000 im Handel erschienen.

Die Erzählungen des Buches haben vor allem eins zum Thema – das tragische Schicksal der Russlanddeutschen und die Würdigung ihrer Leistungen für die Sowjetunion. Er schrieb über den Kampf ums Dasein, von Deportation, Arbeit, zufälligen Wiederbegegnungen nach langer Trennung, von erster Liebe und unerfüllter Sehnsucht. Im März 2001 ist Konrad Loskant gestorben. Das zweite Buch „Die Geschichte meines Volkes“ existiert leider nur in einer handschriftlichen Form. Wird es jemals publiziert werden? Wer weiß…