Geschichte der Wolgadeutschen

Dr. OTTO AUHAGEN

BEI DEN DEUTSCHEN BAUERN AN DER WOLGA


Auhagen, O.: Bei den deutschen Bauern an der Wolga. – Berlin: Verlag Neues Dorf,  1928. – 63 S.


Anstatt eines Vorwortes

Auch ich habe unlängst — im September 1927 — die Republik der Wolgadeutschen besucht, um mich über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse zu unterrichten. Ich wurde auf das freundlichste ausgenommen und von der Regierung der Republik in meinem Vorhaben auf das tatkräftigste unterstützt. Am Sitz der Verwaltungszentrale, in Pokrowsk, konnte ich mich mehrfach in eingehender Weise mit dem Präsidenten des Rates der Volkskommissare Kurz unterhalten. Auch gaben mir die Leiter der verschiedenen Volkskommissariate in bereitwilligster Weise Auskunft. Vor allem aber war für mich eine fünftägige Fahrt im Kraftwagen lehrreich, die ich in Begleitung des stellvertretenden Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Boerger und des Instruktors Nuß ausführte. Die Fahrt bot mir die Möglichkeit, mich mit dem wirtschaftlichen und kulturellen Leben der Wolgadeutschen in großen Zügen bekannt zu machen. Ich erfülle daher gern eine Dankespflicht, wenn ich der Aufforderung Nachkomme, dem Reisebericht meiner Landsleute einige Worte hinzuzufügen.

Es ist erstaunlich, wie schnell sich die Republik aus dem Elend des Bürgerkrieges und vor allem der entsetzlichen Hungersnot von 1921/22 emporgearbeitet hat. Etwa den vierten Teil der Bevölkerung hatte die schwere Zeit dahingerafft. Der Viehbestand war zusammengeschmolzen, ein großer Teil des Ackerlandes war in den Urzustand der Steppe zurückgesunken. Volk und Regierung haben trotzdem den Mut nicht verloren, sondern in deutscher Zähigkeit, die auch in früheren Zeiten harter Prüfungen nicht versagt hatte, alle Kräfte angestrengt, um die Wirtschaft und insbesondere die Landwirtschaft wieder aufzurichten. Großenteils find zu diesem Zwecke neue Wege beschritten worden. Die Agrarreform (Landeinrichtung) wird in großem Maßstabe durchgeführt und damit der Landwirtschaft die Möglichkeit zu rationeller und intensiver Wirtschaftsweise eröffnet. Umfangreiche Bewässerungsanlagen wurden und werden geschaffen, um weite Flüchen, die infolge des trockenen Klimas nur geringe Erträge abwarfen, zu erhöhter Fruchtbarkeit zu bringen. Das Genossenschaftswesen lebt wieder kräftig auf. Für die Kleinbauern werden durch den Zusammenschluß zu Maschinen-Genossenschaften und zu Bodenbearbeitungs-Genossenschaften bessere Wirtschafts- und Existenzbedingungen geschaffen. Erfreulich ist auch der zunehmende Drang nach Bildung, der bei der bäuerlichen Bevölkerung wahrzunehmen ist; das neue landwirtschaftliche Technikum in Krasny-Kut gewährt die Möglichkeit, tüchtige Agronomen heranzubilden, während die in der Nähe von Krasny-Kut gelegene landwirtschaftliche Versuchsstation bereits auf eine lange und erfolgreiche Forschungstätigkeit zurückblicken kann. Vorbildlich für die bäuerliche Landwirtschaft sind die Rätegüter der Republik, die sowohl auf dem Gebiete des Ackerbaues wie auch der Viehzucht Hervorragendes leisten. Im übrigen wird die Landwirtschaft besonders wirksam gefördert durch Verbesserung des Saatgutes, durch die Hebung der Pferde- und Viehzucht, durch die Bekämpfung der pflanzlichen Schädlinge und Tierseuchen und nicht zum mindesten auch durch die Entwicklung der Absatzverhältnisse für technische Kulturen und für animalische Erzeugnisse — es sei in dieser Beziehung auf die wachsende Zahl von Meiereigenossenschaften und Getreideelevatoren, ferner auf die seit einigen Jahren bestehende Tabakfabrik in Marxstadt und auf die neue Baconfabrik in Pokrowsk hingewiesen; alle diese Faktoren bewirken, daß sich die Landwirtschaft der Wolga-Republik heute in gedeihlichem Aufschwung befindet.

Seit mehr als 160 Jahren hat das Deutschtum an der Wolga Wurzel gefaßt. Es ist ein wertvolles Glied des russischen Gesamtstaates geworden, hat aber trotzdem in dieser langen Zeit seine Stammesart treu bewahrt. Der Zarismus bedrohte kurz vor feinem Ende das Wolgadeutschrum mit dem Untergang. Die heutige autonome Republik ist vor solchem Schicksal sicher; das Deutschtum genießt in dieser neuen staatsrechtlichen Form ein höheres Maß von Selbstverwaltungsrecht als je zuvor, und so bahnt sich eine wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung an, die uns im alten Deutschland mit Stolz auf unsere fernen Stammesbrüder blicken läßt.

Dr. Otto Auhagen
Prof, der Landw. Hochschule Berlin


Inhalts-Verzeichnis

Anstatt eines Vorwortes
5

Deutsche Bauern fahren nach Rußland
9
Überblick über den Verlauf der Reise 12

Das Aufblühen der sozialistischen Kultur
38

Erklärung der deutschen Bauerndelegation beim Abschied vom Rat der Volkskommissare der A.S.R.R.d.W
55

  1. Читать книгу в PDF

Публикация книги осуществлена с целью ознакомления и не преследует никакой коммерческой выгоды. Любое коммерческое и иное использование, кроме предварительного ознакомления, запрещено.